Mittwoch, 26. April 2017

Das Bahn-Experiment: Alleine reisen mit zwei Kindern

Ich hatte es getan! Ich hatte am Schalter der deutschen Bahn Zugtickets für die Osterferien gekauft. Zugtickets für mich und meine beiden Töchter, die 2,5 Jahre und fast 4 Jahre alt sind. NUR für mich und meine beiden Töchter. Kein Papa, kein Onkel, keine Oma. Nein, noch nicht einmal eine Freundin würde mich auf der 8-stündigen Zugfahrt einmal quer durch Deutschland begleiten. War ich denn verrückt?

Erinnerung an eine anstrengende Bahnfahrt

Ich schrieb bereits einige Beiträge hier im Blog über das Zugfahren und durfte viele gute Erfahrungen mit euch teilen, doch ich erinnere mich auch an eine Fahrt, als Mila gerade ein paar Monate alt war. Damals reiste ich diese 8-Stunden-Strecke ebenfalls alleine und versprach mir, das NIE WIEDER zu tun. Oh Gott, war das anstrengend! Ein Baby zu versorgen, konnte zu Hause schon Nerven kosten, doch das Wickeln, Stillen und Bespaßen auf dem eingeschränkten Platz zweier Sitze brachte mich an meine Grenzen. Acht Stunden konnten verdammt laaaaaaang sein. Und dann musste man das Ganze auf der Rückfahrt noch einmal durchmachen...

Ich packte meinen Rucksack
Aber nur Mut: Diese Reise liegt 3,5 Jahre in der Vergangenheit und ich habe inzwischen schon andere Fahrten gemeistert.
Das allerallerwichtigste am Alleine-mit-Kindern-Reisen ist das Gepäck. Mit einem Kind für ein Wochenende komme ich mit einem Rucksack einiger Maßen gut hin, wenn ich minimalistisch packe. Den Rucksack transportiert man auf dem Rücken, das Kind an der Hand und alles ist gut. Doch: Zwei Kinder und 8 Tage Urlaub plus Osterkram und Windeln verursachen selbst minimalistisch zusammengestellt viel Gepäck, zumal es bei meinen Eltern nass (Gummistiefel) und kalt (dicke Pullis) werden konnte. April, April, der macht eben, was er will.

Wir schickten also ein großes Paket mit unserem Gepäck zu meinen Eltern und nahmen auf die Fahrt nur mit, was wir im Zug auch wirklich brauchen würden (viiiiiel Essen). Mit einem Rucksack für mich und je einem kleinen Rucksack für die Kinder kamen wir aus.

Zuhause - Bonn - andere Rheinseite - Siegburg - Frankfurt - Dresden - Bischofswerda - Neustadt in Sachsen

Wir starteten turbulent in die Reise. Kaum am Bonner Bahnhof angekommen, stellten wir fest, dass ein Streckenabschnitt gesperrt war. GESPERRT! Wir kamen nicht nach Siegburg durch! Scheiße! Das sagte ich ganz offen und auch laut und auch vor den Kindern. Denn das beschrieb die Situation am besten. Dabei hatte ich via Bahn.de morgens noch die Verbindung gecheckt und alles wurde ohne Verspätung oder Probleme angezeigt. Das half jetzt nichts. Ich dachte als erstes: "Wir müssen schnell ein Taxi nehmen", aber dann fiel mir ein, dass kein Taxi zwei Kindersitze dabei haben würde. Also rannten wir zu den Bussen und erwischten eine Linie, die über den Rhein schlich - konnte er nicht schneller fahren? - Dort hatten wir dann tatsächlich das Glück, die Straßenbahn zu erwischen, die rechtzeitig in Siegburg ankommen sollte. Puh! Adrenalin am Morgen...

Die Hinfahrt verlief ab diesem Punkt unkompliziert. Die Kinder malten, sie schliefen, sie ließen sich vorlesen und mussten aller zehn Minuten nach meinem Gefühl auf die Toilette.


Doch bei dem allen verloren sie nicht ihre gute Laune. Nur ich kämpfte beim Umsteigen mit meinen Nerven, weil die Wagenreihung jedes Mal geändert war und wir uns deshalb sowohl in Siegburg als auch in Frankfurt durch den vollen Zug zu unseren Plätzen durchdrängeln mussten.

Kinder-Bekanntschaften
Wir lernten auf der Strecke von Leipzig nach Dresden noch den 4-jährigen Emil kennen, der mit seiner Mutter untwegs war. Mila erzählte ihm: "Wir fahren zu Oma Ute" und er war begeistert: "Wir fahren auch zu Oma Ute!" Es stellte sich jedoch heraus, dass seine Oma in Dresden und unsere in Neustadt wohnte.

Für ihn und seine Mutter malte Mila ein paar Bilder und saß am Ende auch mit den beiden hinter uns und spielte dort. In Dresden Neustadt sagten wir Tschüs. Vielleicht sieht man sich bei der nächsten Bahnfahrt wieder?

Ansonsten verlief die Hinfahrt ohne weitere Kinder und Annika hatte ab Dresden die Nase voll. Sie kletterte in der Regionalbahn nach Bischofswerda auf den Sitzen herum, hörte nicht mehr auf mich und schrie, während die Kontrolleurin die Fahrkarten abstempeln wollte. 30 Minuten musste ich durchhalten. Die Jacke zog sie auch nicht noch einmal an und so war ich sehr froh, als am Bahnsteig mein Papa uns empfing. Opa! Für ihn zog sie die Jacke dann doch noch einmal an und wir ließen uns im Auto den letzten Teil der Reise gemütlich fahren.

Neustadt in Sachsen - Bischofswerda - Dresden - Frankfurt - Siegburg - Andere Rheinseite - Zuhause 
Es ging zurück. Ich freute mich wirklich auf mein Zuhause und meinen Mann, aber trotzdem ist eine Rückreise nie so angenehm wie eine Hinfahrt. Die Vorfreude schwinkt nicht mehr mit. Und ich hatte weniger Lust. 


9:39 Uhr ging es in Bischofswerda los. Wir tuckerten nach Dresden, wo wir innerhalb von 8 Minuten den Bahnsteig wechseln mussten. Im ICE angekommen, konnten wir es uns dann gemütlich machen und ein paar Stunden verweilen, bevor in Frankfurt der nächste Umstieg anstand. Das besänftigte meine Laune und ich konnte mich auf die Rückfahrt einlassen. Mit Dinos und Bananen zogen wir quer durch Deutschland zurück. Es machte Spaß.
 
Ruhe bitte?
Bereits vor Reiseantritt hatte ich bemerkt, dass unsere Reservierungen im Ruheabteil lagen. Zur Erinnerung: Die Tickets hatte ich am Schalter gekauft. Die Angestellte der deutschen Bahn besaß Humor, zwei so kleine Kinder zwischen Menschen zu setzen, die ihre Ruhe haben wollten. Doch wir waren nicht allein: Andere Familien mit Kindern stellten jetzt erst fest, wo sie die nächsten Stunden verbringen sollten, und ihnen stand Entsetzen, wenn nicht Panik ins Gesicht geschrieben.
Die meisten von uns mussten sich jedoch keine Sorgen machen, da eine Mutter mit ihrem 2-jährigen Sohn alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Ihre Idee bestand darin, mit ihrem Sohn Tiptoi zu spielen. Ohne Kopfhörer. Ihr kennt diese Bücher, die nach Antippen mit einem Stift vor sich hinquasseln und singen? Die Menschen im Zugabteil jetzt auch. In und auswendig. Es baten sogar einige Leute, die Frau möge das Spielzeug doch wegpacken (Ruheabteil und so), doch sie meinte nur: "Ich kann das Kind auch schreien lassen". Damit hatte sie sicherlich recht, doch würde ich euch zum Wohle aller empfehlen, andere Spielsachen mitzunehmen oder zumindest Kopfhörer - Die gibt es jetzt auch für Tiptoi.

Blick in den Rucksack: Was nimmt man mit auf eine lange Bahnfahrt?
Packt wenig ein, damit für das wichtigste ausreichend Platz bleibt: Fürs Essen! Bananen, Äpfel, Brote. Aber auch Kekse und Schokolade. Als Getränke am liebsten Limo, die Mutti sonst nicht erlaubt, und schon kann ein großer Teil der Zeit mit Schnabbern verbracht werden.
Für Spaß und Spiel hatten wir Stifte, Papier und ein Malbuch eingepackt, Pixiebücher zum Vorlesen (weil sie klein und leicht sind), einige Fillypferde und andere Figuren. Ich habe tolle Kinder, die sich damit tatsächlich stundenlang beschäftigen konnten.
In meinem Rucksack verstaunte ich noch die Basics: Wechselsachen, Windeln, Feucht- und Taschentücher, Portmonee und Handy. Oben drauf wurde ein Kuschelkissen geschnürrt, auf dem die Kinder schlafen konnten und das Annika auch bei Oma und Opa immer wieder verlangte. Eine Schmusedecke lässt sich einfacher mitnehmen, aber bei uns ist es leider dieses große Kissen.

Mitreisende: Kinderfreundlich oder Kinderfeindlich?
Alles in allem ließ es sich mit uns im Zug anscheinend ganz gut aushalten und die anderen Reisenden begegneten uns wohlgesonnen. 

Besonderes Glück hatten wir auf der Rückfahrt, da wir uns vier Plätze um einen Tisch mit einer Frau teilten, die nach Basel unterwegs war. Wir saßen kaum, da brach Mila das Eis: "Ich bin fast vier Jahre alt, aber ich weiß nicht, ob ich ein Fahrrad zum Geburtstag bekomme". Klassischer Gesprächsbeginn. 
Die Frau ließ sich sehr herzlich darauf ein und unterhielt sich mit Mila, half ihr sogar beim Händewaschen und war alles in allem sehr aufmerksam und hilfsbereit. Das Beste: Als Mila eingeschlafen war und zwei Sitze blockierte, wurde Annika auch unruhig, und sie bot an, dass wir Annika quer über unsere Beine legen könnten. Das taten wir und mein Mini schlief sofort ein - und wir hatten fast zwei Stunden Mittagsruhe.



Fazit: Die Angst vor langen Bahnfahrten ist mir genommen
Meine Kinder sind so groß geworden und es ist inzwischen leicht, mir mit ihnen weitere Reisen zuzutrauen. Ich hatte vorher die Befürchtung, dass Annika Probleme machen würde, da sie viele, lange und laute Systemausfälle haben kann, doch in der Bahn hatten wir Glück. Sie war zufrieden und hatte ihren Spaß.
Die Kinder genossen es, acht Stunden lang Mamas Aufmerksamkeit zu haben. "Quality time", wie manche Leute sagen würden. Dabei musste ich noch nicht einmal auf Hörspiele oder ein Tablet zurückgreifen, was andere Eltern im Zug getan haben und was ich auch eine gute Idee finde. Warum nicht? Zu Hause dürfen die Kinder wahrscheinlich nicht stundenlang zocken, Filme schauen oder Hörbücher hören, aber in der Bahn ist das eine Win-Win-Situation: Ruhe für die Eltern, Ruhe für andere Fahrgäste und Spaß für die Kinder. Nur die Loreley übersieht man dann vielleicht, aber an der sind wir dieses Mal sowieso nicht vorbei gefahren. Das fand Mila sehr schade. Da müssen wir wohl mal wieder eine Fahrt am Rhein entlang buchen.

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