Sonntag, 22. Juni 2014

Chutriel stellt sich vor

Ein Kind zu bekommen und trotzdem Karriere zu machen, das ist nach wie vor ein ehrgeiziges Ziel. Ich wollte immer beides. Die Karriere jetzt, das Kind irgendwann. Doch dann kam M. und mit ihm sein sehnlichster Wunsch nach einem Kind. 

Bei mir lösten Babys eher Fluchtreflexe denn Milchproduktion aus und die Mütter, die ich kannte, erschienen mir…ähm, infantil. Nett ausgedrückt.
Dennoch warf ich alle Selbstzweifel über Bord und glaubte seiner fröhlicher Zuversicht, ich würde das Kind im wahrsten Sinne schon schaukeln.

Im Herzen (Katastrophen-)Soziologin, war ich schließlich doch auch neugierig und habe den Versuch gewagt, ein Kind zu bekommen und meine Berufswünsche dabei nicht aufzugeben. Aus der Theorie kannte ich alle Probleme und Schwierigkeiten, die nun für mich alsbald Realität wurden.



Unfähig, mein Kind bis zum Schluss auszutragen - bei einer Frühgeburt in der 34.SSW und einem vierwöchigen Klinikaufenthalt blieb sogar mir (sonst rechthaberisch bis in die Haarspitzen) ein „Siehste! Habe ich doch gesagt, ich kann das nicht!“ im Hals stecken -, stolperte ich schon mit Sichtbarwerden der beiden verhängnisvollen Strichen auf dem Schwangerschafts-Test von einem Stress in den nächsten. Während der Schwangerschaft verlor M. seine Arbeit und ich erkannte, dass es mit der Vereinbarkeit von meinen Karriereplänen und der Familie nicht so durchsetzbar war. Also packte ich meine sieben Sachen (naja, mit Kind sind das ein paar mehr) und folgte M.s Karriereplänen in ein anderes Bundesland. So steckte ich plötzlich genau da, wo ich nie sein wollte: im traditionellen Ein-Ernährer-Modell, und zwar auf der Seite HINTER dem Wickeltisch. Der gerade übrigens schon wieder eingepackt wird, weil M. sich nun auch ein Eigenheim wünscht, in das wir bald ziehen werden.

Da bin ich nun also ferner denn je meiner eigenen Pläne und versuche, das Beste aus der Situation zu machen.

Aber, um mal eins der wenigen Mutterdaseinsdingens-Klischees zu bemühen, welches ich tatsächlich so unterschreiben kann: Das Beste ist natürlich das Kind, das hier rumspringt und mich täglich an den Rand des Nervenzusammenbruches treibt. Er ist mittlerweile fast ein Jahr alt, entdeckt gerade seinen Willen und todesmutig seine Umwelt. Zum Glück scheint er seinen schlechten Start komplett weggesteckt zu haben (im Gegensatz zu mir) und trotz andauernder Ein- und Durchschlafproblematik ist er das wunderbarste Kind der Welt. Der Rest ist allerdings…nun ja, sagen wir mal, ausbaufähig.

Ich – das ist eine Gewohnheitspessimistin Ende 20, mit einem Magister in Soziologie, Allgemeiner und Vergleichender Sprachwissenschaft und Literatur- und Medienwissenschaften, drei angefangenen Themen für eine Doktorarbeit, etlichen abgeschickten Bewerbungen und aktuell in Elternzeit wegen dem einen hyperaktiven Kind von M., aka mittlerweile geehelichte bessere Hälfte, da unerschütterlicher Alltagsoptimist.

[Update]
Das Eigenheim ist wieder Geschichte und ich bin um etliche Erfahrungen und um ein weiteres Kind (immer noch von M.) reicher. Da der zweite Sohn 2,5 Jahre später komplikationslos im Geburtshaus zur Welt kam, bin ich wohl der lebende Beweis dafür, dass sich die Dinge auch wirklich zum Positiven verändern können.

So konnte ich auch nach drei Jahren die Elternzeit an M. abtreten und bin meinem Ziel zu Promovieren, auf einer neuen Stelle, näher als in den Jahren vor den Kindern. Jetzt - mit 30, berufstätig und zwei kleinen Kindern - ist der Alltag die eigentlich wirkliche Herausforderung.

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