Mittwoch, 25. November 2015

Name it! Mein offener Brief am Tag der Rose

Nach Solinas mutigen Beitrag im letzten Jahr, habe ich mir diesen November ebenfalls ein Herz gefasst und am internationalen Gedenktag "Roses Revolution" eine Rose und einen Brief in meiner Geburtsklinik abgelegt.


Mittlerweile wohne ich über 500km entfernt, war aber zufällig in der Woche vor dem 25.11. wieder in Kiel und wollte die Gelegenheit unbedingt nutzen, persönlich dort hinzugehen. Also lief ich eine Weile planlos durch die Klinik und suchte einen guten Ort für meine Rose. Letztlich wählte ich den Empfang der gynäkologischen Ambulanz ("Schwangeren-Ambulanz"), weil ich damals dort nachts verängstigt ankam und diese beklemmenden Gefühle über die gesamte Zeit nicht mehr los wurde. Ich fühlte mich weder gut betreut noch gut aufgehoben und fasste dies in einen Geburtsbericht zusammen, den ich mit der Rose auf einem der Tische vor dem Empfangstresen ablegte. 




Folgende Worte ließ ich in der Uniklinik für alle lesbar zurück und postete meinen Brief auch auf der offiziellen Facebook Seite der Roses Revolution Deutschland:
Sehr geehrte Mitarbeiter_innen der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie der Uniklinik Kiel,
ich möchte den Gedenktag „Roses Revolution“ am 25.11.2015 nutzen, um Ihnen in einem offenen Brief von meiner Geburtserfahrung in Ihrem Haus zu berichten.
Vor 2,5 Jahren kam mein Sohn als Spätfrühchen per Kaiserschnitt auf die Welt und es sind einige Dinge vor und nach seiner Geburt geschehen, die uns nachhaltig sehr negativ geprägt haben. In erster Linie ließ der Umgang Ihres Klinikpersonals teilweise den Respekt und das Mitgefühl missen, welches ich in dieser Situation nicht nur unbedingt benötigt hätte, sondern welches mir auch per Recht zusteht.
Auch wenn ich verstehe, dass für Ihr OP-Team Kaiserschnitt-Operationen zum beruflichen Alltag gehören, war das lapidare und flachsende Verhalten fehlplatziert, während ich vor Angst und Sorge um mein Kind den Gesprächen förmlich ausgeliefert war. Meine Angaben, welche Medikamente ich nicht vertrage, wurden vom Anästhesisten nicht nur ignoriert (eine spinale Anästhesie sei angeblich etwas anderes als eine Vollnarkose, ich litt dennoch unter den heftigen Nebenwirkungen einer Unverträglichkeit), auch weiß ich bis heute, wer was zum Mittagessen hatte, weil dies Gesprächsthema war. In meinen Augen ist das ein absolut würdeloser Umgang mit der für meine Familie so bedeutende Situation der Geburt unseres Kindes.
Nach dem Kaiserschnitt hatte ich eine starke Einblutung in den Bauchraum, die erst wirklich beachtet wurde, als ich mich eine Woche später selbst entlassen wollte, um meinem Kind in die Kinderklinik zu folgen. In der Zeit hatte sie sich infiziert und jede von mir vorher geäußerte Bemerkung über meine Schmerzen und Unwohlsein wurde weder ernst genommen noch beachtet. Im Gegenteil, ich musste mir vom Fachpersonal Dinge anhören wie „wenn Sie zu Ihrem Kind gehen, wird es nicht so schlimm sein – Ihr Kind braucht Sie jetzt dringender – Tränen sind gut für den Milcheinschuss - …“ Alles in allem wurden meine Schmerzen und Trauer über die Trennung von meinem Kind und die furchtbare Erfahrung des Kaiserschnitts ignoriert und mir das Gefühl vermittelt, nur noch für das Abliefern der Milch zuständig zu sein und mich halt einfach mal „nicht so anzustellen“.
Eine zweite Operation, um das infizierte Hämatom am Bauch zu entfernen, war nach einer Woche nötig – dafür ließ ich mich aber auf eine andere Station in Ihrer Klinik verlegen. Dort erfuhr ich erst echte Anteilnahme und Fürsorge von den Krankenschwestern der Onkologie.
Wie kann es sein, dass ausgerechnet bei Wöchnerinnen, die gerade ein Kind bekommen haben und sich damit ohnehin in einer extrem vulnerablen Situation befinden, Ihr Klinikpersonal einen fürsorglichen und achtsamen Umgang missen lassen? Einzig die Hebammenschülerinnen blieben mir als liebe- und respektvoll in Erinnerung.
Über ein halbes Jahr lang plagten mich Alpträume und Schlaflosigkeit und ein weiteres Jahr musste vergehen, bevor ich mich ohne Angst an die „Geburt“ und die erste Zeit mit meinem Kind zurück erinnern konnte.
Ich wünsche mir sehr, dass Ihnen klar ist, wie wichtig und prägend Sie und Ihr Umgang mit uns in dieser sensiblen Zeit der Geburt sind und dass Sie trotz der Widrigkeiten Ihres beruflichen Alltags nicht vergessen, dass Mütter nicht weniger Respekt verdienen als jede andere Patientin in Ihrer Klinik.
Mit freundlichen Grüßen

Ich hinterließ auch meine Kontaktdaten und warte jetzt gespannt, ob und was da noch nachkommt. Auf jeden Fall fühle ich mich besser und denke, wenn nur EINE Person meine Worte im Hinterkopf behält und die nächste "Patientin" respektvoller behandelt, habe ich schon was bewegt. 

Natürlich könnt ihr bei der Aktion auch absolut anonym bleiben, aber traut euch, für euch und eure Kinder einzustehen und mit vielen anderen gegen das System, unter dem viele leiden müssen, zu protestieren! Name it!


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