In den letzten zwei Jahren bin ich immer wieder auf Mütter getroffen, die sich auf gewisse Art kategorisieren lassen. Dabei sind sie grundverschieden, trotzdem lässt sich von jedem "Typ" einiges abschauen und lernen.
1. Die Entspannte
Sie wuppt alles gleichzeitig: Job und/oder Studium, Kinder und Haushalt und bleibt dabei im größten Organisationsstress stets gelassen und entspannt. Man selbst fühlt sich neben ihr total unfähig und inkompetent, weil einen schon Kind und Haushalt oft vor ein unlösbares Koordinierungsproblem stellen. Auf den zweiten Blick erkennt man aber, dass sie dies nicht alleine stemmt. Der Kindsvater ist in Elternzeit, die Großeltern wohnen als dauerverfügbare Babysitter direkt nebenan oder sie genießt das Privileg einer Haushaltshilfe.
Was wir von ihr lernen können: Alles richtig gemacht, würde ich sagen. Die Entspannte greift auf ein Netzwerk zurück und spannt andere Menschen in die Kinderbetreuung und Alltagsorganisation mit ein. Davon kann man sich ruhig mal eine Scheibe abschneiden und Aufgaben, ob diese jetzt das Kind oder den Alltag betreffen, ohne schlechtes Gewissen auch mal anderen überlassen. Schokominza hat noch weitere super Tipps für euch, die ihr in ihrem Post "Zum Teufel mit der Gelassenheit" nachlesen könnt - ich schreibe beispielsweise gerade diesen Post, während sich Sohnemann mit Kulli anmalt...aber ich kann mal in Ruhe schreiben (Tipp 6).
2. Die Überforderte
Sie ist das genaue Gegenteil der Entspannten und scheint überfordert mit der Gesamtsituation. Sie ist ständig zu spät, vergisst alles, hat blank liegende Nerven und bricht sofort in Tränen aus, wenn etwas Schief läuft. Und das tut es oft. Wenn das Kind schreit, fließt bei ihr der Schweiß und sie bekommt hektische Flecken. Sie will weder in Cafés noch Restaurants gehen oder sich sonstwo mit jemandem treffen. Generell igelt sie sich seit Geburt des Kindes komplett ein und hat alles hinten angestellt. Gerade Frisch-Mamas zählen zu diesem Typ, im Laufe des ersten Jahres entscheidet sich meist, zu welchem Muttertyp sie mutieren.
Was wir von ihr lernen können: Ihre größte Stärke ist die Grundlage ihrer Überforderung. Über-Identifikation mit ihrem Schatz. Sie will immer alles richtig machen und dreht sich komplett um ihren kleinen Liebling (aber anders als Typ 5). So gestresst diese Frauen auch ständig sind, selten habe ich so sensible und feinfühlige Mütter erlebt, für die ihr Kind immer oberste Priorität hat. Und seien wir ehrlich, ein bisschen einigeln und vom gesellschaftlichen Leben zurücktreten, kann einem auch mal ganz gut tun. Zwar stellt sich mehr Gelassenheit ein, je älter das Kind wird, öfter auf die Bremse treten könnte man trotzdem!
3. Die Latte-Macchiato-Mom
Diese Bezeichnung stammt nicht von mir, sondern aus einer Trendstudie, die 2006 von Fanta in Auftrag gegeben und vom kelkheimer Zukunftsinstitut umgesetzt wurde. Seitdem steht die Latte-Macchiato-Mom für einen Muttertyp, der Selbtsverwirklichung in beruflicher und sozialer Sphäre mir Kind gekonnt vereinbart. Für mich zeichnet diese Frau aus, dass sie (und ihr Spross) immer gut gestylt und kaffeetrinkend mit ihren kinderlosen Freundinnen lässig durch ihr gelungenes Leben spaziert. Mein Neid ist ihr sicher, da mir oft erst abends beim Zähneputzen der Mittagsbrei an der Stirn auffiel und ich Kaffee eher als Überlebenshilfe denn als Lifestylegut konsumiere.
Was wir von ihr lernen können: Eine Menge! Das Leben ist nicht vorbei, nur weil man ein Kind hat. Und "etwas für sich tun" bedeutet mehr, als nur aus der Jogginghose und dem vollgekotzen Shirt in saubere Kleidung zu schlüpfen. Die Latte-Macchiato-Mom genießt ihr Leben MIT Kind genauso wie vor der Schwangerschaft und tut dabei eine Menge für sich. Und da wir wissen, dass glückliche Mütter glückliche Kinder haben, sollten wir öfter mal Latte Macchiato trinken gehen ;).
(an dieser Stelle muss ich dann doch mal unterbrechen, weil Sohnemann die Kühlschrankmagneten unter die Bodenleisten ins Zigarettenautomatenland schiebt - so nennen wir den Ort, an dem alle Dinge hinverschwinden, die unauffindbar sind: Socken, Mützen, zweite Schuhe und Männer, die nur mal eben Zigaretten kaufen, ...=
4. Die Lügnerin
Dieser Muttertyp hat alles, was man sich vorstellen kann: Ein Haus, mehrere Kinder, einen gut verdienenden Ehemann und trotzdem selbst noch einen anspruchsvollen Vollzeitjob. Und sie liebt ihr perfektes Leben, was sie allen unter die Nase reiben muss. Anders als die Entspannte stemmt sie aber den Großteil wirklich alleine, und es ist KEIN PROBLEM! Sagt sie jedenfalls ständig. Was stellen sich denn die anderen immer so an? Organisation ist alles! Abends fällt sie nach dem anstrengenden Arbeitstag und der "quality time" mit ihren Kinder zwar erschöpft, aber glücklich ins Bett und hat auch noch Sex mit ihrem Mann. Mindestens dreimal in der Woche.
Durch ihren nervigen Geltungsdrang nimmt sie absichtlich in Kauf, dass sich die Anwesenden, die nicht ALLES unter einen Hut bekommen (ich zum Beispiel), schlecht fühlen. Allerdings ist bei der Lügnerin viel Fassade. Blickt man dahinter, erkennt man weniger perfekte Dinge: Das Haus ist ein Saustall und/oder Baustelle, der Ehemann ein Arschloch, der Job pure Notwendigkeit, um die Kredite abzuzahlen, die Lügnerin selbst kurz vor dem Burn-Out und die Kinder Monster - ja, ich weiß, die Kinder können nie was dafür, aber trotzdem gibt es welche, mit denen ich noch nicht mal eine Stunde verbringen möchte, aus Angst, sie würden mir die Haare anzünden.
Was wir von ihr lernen können: Wir haben keinen Grund, uns schlecht zu fühlen, auch wenn manche Mütter uns ihr (angeblich) perfektes Leben mit Genuss unter die Nase reiben wollen. Ein Blick hinter die Fassade reicht oft und wir können uns gelassener ihre Schilderungen anhören und unser nicht ganz so perfektes und vor allem ungehetztes Leben ein bisschen mehr genießen. Freut euch für die, die ALLES schaffen und lasst euch nicht verunsichern - wollt ihr denn wirklich tauschen?
5. Die Helikopter-Mutter
Jaja, diese Sorte ist hinlänglich bekannt und viel diskutiert. Gemeint sind damit die Ü30-Mütter, die nach ihrer geplanten Karriere ganz bewusst das erste (und einzige) Kind bekommen haben und es ein bisschen mit einem Projekt, das zum Erfolg gebracht werden muss, verwechseln. Dabei rotieren sie wortwörtlich um ihr Kind, lassen es dabei aber nicht Kind sein, sondern fördern, erziehen möglichst demokratisch und gleichberechtigt und nutzen jeden Tag von Sonnenaufgang bis Untergang, um sinnvolle Zeit mit ihrem Kind zu verbringen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Sei es Selbstachtung oder das direkte Umfeld - sie kriechen auf dem Spielplatz mit durch den Sand, drängeln andere Kinder von den Spielgeräten (so wie meinen Sohn, der letztens beinahe von so einem besagten Elternteil von der Rutsche geschubst wurde) und verhindern, dass ihre Kinder sowas wie Freunde finden. Diese Mütter (und Väter) nerven ehrlich gesagt am meisten, aber auf eine sympathische Art (im Gegensatz zu Typ 6). Da sie wirklich "nur das Beste für ihr Kind wollen" und sich dafür auch richtig abmühen.
Was wir von ihr lernen können: Faule Mütter wie ich können sich zurücklehnen und sie machen lassen. Die Helikopter-Mutter organisiert die Eltern-Tage im Kindergarten, kümmert sich um das Buffet, damit auch vegane Kost angeboten wird (während ich noch nicht mal den Fertigkuchen gebacken kriege) und weiß sowieso über alles Bescheid. Von Kleinkindfördermöglichkeiten bis hin zur besten Osteopathin der Stadt und kennt das Pekip-Pikler-was-auch-immer-Kursangebot. Eine Helikopter-Mutter im Bekanntenkreis ist eine Menge Wert und anstatt sich neben ihr wie eine Versagerin zu fühlen, kann man ruhig von ihrem Engagement profitieren. Sie weiß immer Rat und hat schon den nächsten tollen Ausflug organisiert - einfach Ranhängen und das von ihr mitgebrachte Essen futtern.
6. Die AP-Liga
Der Name ist angelehnt an der Attachment Parenting-Bewegung und der "La Leche Liga". An sich zwei wundervolle Dinge, denn bei AP steht ein bedürfnisorientierter Umgang mit seinem Kind im Vordergrund, der eine sichere Bindung garantiert, während die La Leche Liga Frauen ehrenamtlich bei ihrem Wunsch unterstützt, ihr Kind zu stillen. Anhängerinnen der AP-Liga nenne ich aber ganz gerne "Still-Nazis". Ja, politisch unkorrekt, ich weiß, deshalb habe ich mich um einen anderen Ausdruck für sie bemüht.
Was tun diese Mütter? Wie die Helikopter-Mutter, wollen sie nur das Beste für ihr Kind. Sie stillen, tragen und schlafen zusammen mit dem Nachwuchs in einem Bett, bis er es nicht mehr will - und wenn er 12 ist. Dabei halten sie ihre Art der Erziehung aber auf so eine militante Art für das einzig Richtige, dass sie Mütter anderer Gesinnung auf nicht selten bösartige Weise kritisieren. Erfahren sie, dass zugefüttert wird, das Kind im eigenen Bett schlafen soll oder im Kinderwagen durch die Gegend gefahren wird, heißt es schnell "das kannst du ja so machen, aber ICH will ja nur das Beste für mein Kind", "Studien zeigen aber, dass..." und "dein armes Kind", etc..
Zudem rotten sie sich zusammen, um in der Horde das Gefühl einer Pseudo-Elite zu genießen und anderen Müttern abschätzige und deren Kindern mitleidige Blicke zukommen zu lassen.
Was wir von ihnen lernen können: Toleranz. Vielleicht nicht unbedingt ihnen gegenüber, denn diese Sorte Mütter würde ich meiden, sobald sie sich outen, aber bei anderen Müttern. Wie schnell ertappt sich man sich selbst bei kritisierenden Gedanken, die aber wirklich sehr oft unangebracht sind. Denn ALLE Mütter wollen nur das Beste für ihr Kind. Und Solidarität und Verständnis hilft immer mehr als Kritik, die letztlich nur dazu dient, sich selbst besser zu fühlen.
Natürlich sind diese Typen nicht universell und allgemein gültig, vor allem steckt ein bisschen von jeder in uns. An manchen Tagen zähle ich mich zu der entspannten Sorte Mutter (wenn Sohnemann bei Oma schläft zum Beispiel), an anderen Tagen bin ich überfordert und könnte mich weinend neben das Kind kauern. Manchmal trinke ich entspannt meinen Kaffee (Café Latte und nicht Latte Macchiato) mit einer Freundin in der Sonne, genieße mein Leben in vollen Zügen und kann im nächsten Moment doch wieder besorgt um mein Kind rotieren. Nach besonders anstrengenden Tagen lüge ich mir selbst vor, dass es doch alles nicht so schlimm ist, ignoriere die Baustelle im Haus und die Beziehungsprobleme und ertappe mich zugegeben dabei, anderen Müttern geringschätzige Blicke zu zu werfen, denn wie können die nur...das arme Kind...
Wieder einmal ein superwitziger Artikel :)
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