Mittwoch, 23. September 2015

PunkRock Parents

„Klasse, wie locker ihr das seht! Ich könnte das nicht.“ Ein Kompliment einer Mutter an eine andere. Ein Kompliment, wie es ehrlicher und wertvoller nicht sein könnte.

Insbesondere hat es mich zum Nachdenken angeregt: Wie locker bin ich eigentlich wirklich?

1. Mein Kind darf sich dreckig machen!
Es ist nur Kleidung. Ich kaufe zwar auch teilweise Markenkleidung, aber selbst diese lässt sich doch problemlos waschen. Warum soll mein Kind also nicht mit dem Essen matschen dürfen? Lätzchen machen nur noch mehr Wäsche…

2. Mein Kind darf sich weh tun
Die Grenzen der Physik – besonders die der Schwerkraft – lernen Kinder nur durch Erfahrung. Dabei gibt’s auch mal Beulen und Kratzer. Aber jede kleine Blessur macht mein Kind um eine Erfahrung reicher.

3. Mein Kind darf Ausrasten
So lange er dabei nicht um sich schlägt und sich oder andere verletzt, lasse ich ihm seine kleinen (oder großen) Ausraster. Hat er sich beruhigt, kann ich ihm viel besser erklären, warum er dies oder jenes nicht durfte.

4. Mein Kind darf im Supermarkt toben
Und es ist mir scheißegal, was die anderen Kunden denken. Wir spielen Verstecken zwischen den Regalen oder wir fahren Einkaufswagenkarussell. Das Kind ist happy und ich bin viel schneller wieder zu Hause, als wenn ich ihn zum stillsitzen zwinge.

5. Mein Kind darf entscheiden was er anzieht
Die Kombinationen sind manchmal echt merkwürdig, aber alles was zählt, ist die Kooperation. Wir sind so durchaus in der Lage, uns wetterabhängig auf ein Outfit zu einigen.

6. Mein Kind darf „nicht wollen“
Sei es nun jemandem die Hand oder mir ein Küsschen zu geben, das Brot aufessen, das Auto wieder aufheben, etc. Wer nicht will, der hat! Besonders ein Recht aus Selbstbestimmung.

Bei Mario Barth heißt es so schön: „Er muss seine eigenen Entscheidungen treffen. Manche Entscheidungen sind positiv behaftet, andere Entscheidungen sind negativ behaftet!“ Und auch wenn die antiautoritäre Erziehung hier ordentlich durch den Kakao gezogen wird, kann ich sie an vielen Stellen nachvollziehen.
Aber nicht, weil ich meinem Kind krampfhaft versuchen will, mein Kind seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen, sondern hauptsächlich, damit ich mir nicht über Sachen mein Hirn zerbreche, die im Endeffekt total belanglos und nebensächlich sind.

Es gab Zeiten, in denen das nicht so war und wenn ich jetzt auf diese Zeiten zurückblicke, ärgere ich mich über mich selbst. Dass ich die Kindererziehung nicht so angegangen bin, wie den Rest meines Lebens: einfach etwas punkiger.

Kinder sind nun mal Kinder. Sie machen und Krach und Dreck und dafür lieben wir sie.

4 Kommentare:

  1. Auch, wenn ich sie richtig finde, werde ich mich als Mutter später mal sicher sehr schwer tun mit den Punkten 2, 4 und 5. Ganz wichtig finde ich Punkt 6! Schrecklich, wenn manche Leute ihre Kinder noch maßregeln, wenn diese sich nicht von irgendwelchen unbekannten "Tanten" und "Onkels" knutschen lassen wollen.
    Hach, euer Blog macht mir so viel Lust aufs Mutterwerden/-sein. Und ich liebe es, dass ihr so ehrlich und authentisch seid, eure Mischung ist einfach echt klasse und ich lese wahnsinnig gerne hier.
    Oke, genug Fangirlgequatsche für heute :D

    Grüße und so
    Änni

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    1. Danke für das Komplimet :)
      Für mich ist es auch schrecklich, wenn bei Kindern einfach davon ausgegangen wird, dass sie ein Allgemeingut sind, welches jeder mal liebhaben darf. ich gebe als Erwachsene doch auch nicht jedem einfach die Hand. Warum soll das also mein Kind tun. Und was die Punkte 2,4 und5 betrifft: ich glaube umso länger man Kinder hat, desto entspannter sieht man die Dinge. Wichtig ist hier einfach alles nicht zu ernst zu nehmen!

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  2. Es ist oft ein schmaler Grad zwischen "zu viel" und "zu wenig" Maßregelung. Ich habe eine Beobachtung vor wenigen Tagen in der Ergopraxis im Warteraum gemacht. Eine Mutter mit 2 Kindern kommt herein. Ein Baby das schläft und ein Junge, geschätzt auf 4 oder älter. Die Mutter war mit ihrem quirligen Sohn nur 12-13 Min. dort und hat nur gemaßregelt und gemeckert und ihn ermahnt.
    Anmerkung: Die Praxis stellte Spielzeug zur Verfügung und der Boden war Laminat...
    So, der Junge lässt ein Plastikauto über das Laminat fahren und hat noch 3 weitere Autos heraus geholt. Die Mutter ermahnt ihn mehrfach, er solle nicht so laut spielen und er soll das Spielzeug nicht herum liegen lassen. Das war so schlimm für mich, dass ich beinahe was gesagt hätte. Denn meiner Meinung nach, hat der Junge sich sehr vorbildlich benommen und so leise gespielt wie es auf dem Laminat eben möglich war. Dann kam der Junge oft an um zu zeigen was er gefunden hat und die Mutter verliert KEIN EINZIGES nettes Wort. Ich höre nur Befehle, genervte Bitten, Drohungen und Ermahnungen und gefühlte 10 mal seinen Namen. Dann wird sie sogar etwas lauter weil er zum Schluss am Kinderwagen herum docktert. Klar, das Baby schläft aber wie kann man es ihm verübeln? Seine Mutter beachtet ihn gar nicht und geht total lieblos mit ihm um und das Baby wird gestreichelt, bestaunt und geschont.
    Das war eine Situation zum Thema Maßregeln.
    Ansonsten, ja muss man eben echt Abwegen. Meine Große darf auch seit sie 2,5 J. alt ist, selbst bestimmen was sie anzieht. Wenn sie unbedingt aus trotz bei 30 Grad Hitze und Sonne ihre Jacke anziehen will, wird sie wenige Minuten später feststellen - ganz ohne dass ich es anspreche oder gar maßregel), dass es doch besser ist auf Mama zu hören - also Jacke wieder aus.
    Wenn mein Kind sagt, "mir ist warm, ich will die Jacke ausziehen", dann soll mein Kind das tun. Andere Mütter haben panische Angst, dass das Kind sich dann erkältet und beschwören dann im schlimmsten Fall einen Trotzanfall hervor, weil sie mit ihrem Kind in Konfrontation gehen, weil sie die Mama sind und "es besser wissen".

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    1. ich denke gerade die Aussage "ich bin Mama, ich weiß es besser" ist der größte Fehler den man machen kann, sobald die Kinder anfangen sich selbst als Individuum wahrzunehmen. Denn wer kann besser wissen ob es in der Jacke zu warm ist, als das Kind selber? Um jetzt mal dein Beispiel aufzugreifen.
      Zu dem Jungen in der Praxis kann ich nur sagen, dass ich immer versuche das geringere Übel zu ermitteln. Will ich das mein Kind friedlich spielt und dabei ein paar evtl auch nervige Geräusche produziert? Oder bevorzuge ich das Gekreisch das er macht, wenn er nicht spielen darf? Da muss ich nichtmal nachdenken ;)
      Scheinbar ist es aber auch so, dass viele Mütter zu sehr darauf bedacht sind, was ihre Umwelt denkt. Und das finde ich total schade

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