In mir brodelt immer mal wieder eine gewisse Abenteuerlust. Das erkannte man bereits an der Wahl meiner Leistungskurse: Chemie und Mathe. Ein bisschen weniger Abenteuer hätte mir in diesem Fall sicherlich nicht geschadet, aber es machte auch Spaß, mit zehn Leuten die Chemikalien großzügig ineinander zu schütten und die Lehrerin mit "Viel hilft viel" zu beschwichtigen. Abenteuer bedeuten nicht, dass der eingeschlagene Weg einfach ist. Im Gegenteil: Er ist holprig und Geduld und Nerven kostend. Abenteuer versprechen aber auch Neues und Aufregendes. Sie sind eine Herausforderung, an der man wachsen wird - und so passen Kinder genau dazu.
Kinder unterstützen ihre Studi-Eltern gern durch hilfreiche Notizen |
Kinder im Studium?
Vor zehn Jahren in meinem Chemie-LK wusste ich noch nicht, dass meine Kinder während des Studiums geboren werden würden. Ich hatte keinen großen Lebensplan und wenn doch, dann schwebte mir eine Ausbildung vor, in der ich dann arbeiten würde, im Anschluss eine Familie. Null-Acht-Fünfzehn.
Im Erwachsenwerden merkte ich dann, dass so ein Leben nicht gut zu mir passt und so schloss ich an meine Ausbildung mutig ein Studium an.
Während dieses Studiums bekam ich dann 2013 und 2014 meine beiden Töchter. Ich studierte Vollzeit mit zwei Nebenjobs.
Papa bleibt zu Hause
Ursprünglich wollten sowohl mein Mann als auch ich das Studium fortsetzen, doch dann entschied sich mein Mann dafür, seinen Bachelor abzuschließen und in Elternzeit zu gehen, während ich den Master anhängte. Und es funktioniert! Er ist jetzt seit Mai 2013 zu Hause und betreut mittlerweile beide Töchter. Die Betreuung war so sicher gestellt und sicherlich unkomplizierter, als wenn wir unsere Vorlesungszeiten aufeinander hätten abstimmen müssen.
Und wie finanziert man das?
Ursprünglich hätten wir einfach weiterhin Bafög bezogen. Da mein Mann nun aber zu Hause blieb, stellte sich auch uns diese Frage neu.
So sah es aus:
Ich: Bafög + zwei Nebenjobs
Kinder: Kindergeld
Mein Mann: 300€ richtiges Elterngeld und im Schnitt 400€ Hartz IV
Aus jetziger Perspektive nach dem Studium kann ich mich mit dem letzten Punkt gut anfreunden, schließlich würde ich im Moment viel mehr Elterngeld bekommen, hätten wir uns jetzt erst für Kinder entschieden.
Über die Probleme
Meine Schwangerschaften verliefen beide furchtbar. So hatte ich mir das absolut nicht vorgestellt und es erschwerte das Studium. Kurz vor einer Schulung, die ich geben sollte, wies man mich ins Krankenhaus ein. Zwischen Kloschüssel und Zwieback schrieb ich noch mehrere Seminararbeiten. Hochschwanger absolvierte ich ein Vollzeitpraktikum im Verlag. Im Hochsommer. Und dann kamen beide Kinder nicht zum errechneten Termin: Mila 4 Wochen zu früh, Annika 10 Tage zu spät...
Dabei dachte ich, es würde erst mit Baby schwierig sein, zu studieren. Schwanger war es viel schwieriger! Zumindest bei mir. Meine Babys erwiesen sich als recht pflegeleicht. Sie schrien abends, aber tagsüber kaum. Sie waren zufrieden und lachten viel. Nur das Stillen hatte ich mir anders vorgestellt - Mila trank in einem Abstand von 45 bis 90 Minuten und dazwischen schaffte man nichts. Es strengte an. Beide Kinder habe ich dann mit 9 Monaten abgestillt.
Was ich aber lernte war, dass man mit Baby nicht studieren kann,
egal wie pflegeleicht es sein mag. Das Baby muss mindestens schlafen (was es immer nur kurz tut), am besten noch an einem anderen Ort sein, damit Mama klare Gedanken fassen und formulieren kann. Ich hatte mir ruhige Abendstunden fürs Studium ausgemalt, bekam aber Babys, die bis 23 Uhr wach waren...
Alles ging mit einem Baby noch gut, weil mein Mann zu Hause war. Nur als wir dann zwei "Babys" hatten (Mila war fast 17 Monate bei Annikas Geburt), wurde es schwieriger. Beide brauchten die volle Aufmerksamkeit und so kümmerten wir uns gemeinsam. Drei Monate lang unterbrach ich mein Studium nach der Geburt unserer zweiten Tochter und startete erst im Januar 2015 mit der Masterarbeit, die ich dann recht zügig schrieb.
Meinen Nebenjobs ging ich während dieser Zeit trotzdem nach. Es war anstengend, keine Frage, aber aus diesem effektiven Arbeiten konnte ich viel für mich lernen! Meine Masterarbeit wurde mit 1,3 bewertet - besser wäre es ohne Kinder auch nicht geworden. Dann hätte ich zwischendrin mehr Kaffee oder Bier getrunken und mehr Zeit in Facebook vertrödelt. Mehr nicht.
Und ist da noch Zeit?
Meine Hobbysammlung musste deutlich reduziert werden: Das ehrenamtliche Balu&Du-Projekt schloss ich in der Schwangerschaft noch ab. Theater & Volleyball & das Schreiben für ein Online-Magazin beendete ich ganz.
Kinder füllen die Zeit aus und die Tage vergehen auch ohne zahlreiche Hobbys wie im Flug, dennoch sollte man seine Tage nicht nur mit Babybrei füllen. Ein gutes Buch, ein Theaterstück, eine Bastelei, ein Brief - das war immer drin. Wir sind mit Kindern hin und wieder verreist und fahren auch in diesem Jahr zweimal in Urlaub: Eine Woche lang nach Sachsen und zwei Wochen lang nach Kroatien. Solche Zeiträume habe ich immer früh eingeplant und drum herum gearbeitet und studiert.
Zeit ... Mit Baby verliert das Wort an Bedeutung. Sie vergeht zäh und gleichzeitig viel zu schnell. Aber irgendwann blinzelt man und die Kinder sind groß und nehmen einen nicht mehr so intensiv in Anspruch. Für jede Mutter und jeden Vater ist es ein anderer Zeitpunkt, auch abhängig vom Kind, wann dieses "groß" erreicht ist. Für mich sind Kinder mit 2 Jahren bereits "groß". Mila kann laufen, selbst essen, Treppen steigen, auf Toilette gehen und spricht mit mir. Natürlich wird noch viel passieren, was sie immer wieder "noch größer" macht, aber sie ist jetzt schon kein tapsiges Kleinkind mehr.
Eine alternative Wirklichkeit
Manchmal überlegt man, wie es anders auch hätte sein können, aber die alternative Wirklichkeit gefällt mir nicht. Zwar habe ich nicht getrödelt, bin nun aber doch 27 Jahre alt nach meinem Masterabschluss und arbeite in einem befristeten Vertrag. Wenn ich in einem Verlag ein zweijähriges Volontariat anschließe, bin ich dann schon 30 Jahre alt und selbst dann ist noch nichts sicher. Mein Alter würde weiter nach oben klettern, der perfekte Zeitpunkt aber nicht näher rücken - Also scheint mir das Studium nach wie vor kein schlechter Zeitpunkt für Kinder gewesen zu sein. Und selbst wenn: Es war ein Abenteuer -
holprig und Geduld und Nerven kostend. Aber auch etwas Neues und Aufregendes. Es war eine Herausforderung, an der ich gewachsen bin.
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