Samstag, 9. Juli 2016

Wenn das Kind schwerhörig ist

Nachdem unser Zweitgeborener wochenlang durch das Neugeborenen-Hörscreening durchgefallen ist, brachten weitere Untersuchungen ein unschönes Ergebnis: unser Kind ist hochgradig schwerhörig.

Die Tests

Das Neugeborenen-Hörscreening ließ schon vermuten, dass unser Sohn nicht gut hört. Aber da diese Tests sehr anfällig sind und er zudem noch ständig erkältet war, bekamen wir die Überweisung in die Uniklinik. 
Profi-Equipment in der Uniklinik

Doch auch dort zeigten die Tests Auffälligkeiten, die mit der sogenannten Hirnstammaudiometrie (dem BERA-Test) schließlich final bestätigt wurden. Bei dem BERA-Test werden mit einem EEG die Hirnströme bei Audioreizen gemessen und so exakt bestimmt, wie viel davon ankommt. Wir verbrachten Stunden in der Klinik, da das Baby bei den Tests schlafen muss und er dank seines ersten Zahns erstens eh total quengelig war und zweites beim Verkabeln ständig aufwachte.

Aber irgendwann schlief er auf Papas Arm ein und die Ärzte konnten zumindest ein Ohr auf seine Hörfähigkeit hin messen.


Beim BERA-Test
Dabei kam heraus, dass er auf einem Ohr hochgradig schwerhörig ist. Das andere Ohr weist laut den Voruntersuchungen nur eine leichte Abweichung auf (BERA-Test ist im September), trotzdem bekamen wir für beide Ohren Hörgeräte verschrieben und machten direkt einen Termin bei der Pädagogischen Beratungsstelle für hörgeschädigte Kinder.

Die pädagogische Beratung

Die Beratungsstelle in Friedberg, Hessen

Dort wurden wir rundum versorgt: mit den Hörgeräten, mit Informationen und mit Hilfe im Alltag. Unser Sohn wird eine logopädische und später eine schulische Unterstützung erhalten, da das Hören mit Hörgeräten nicht dem natürlichen entspricht und er auf Grund der Schwerhörigkeit als behindert gilt. Wenn ich mir die Dinger selbst an die Ohren halte, klingen die Umgebungsgeräusche ungefähr so wie man es durchs Telefon kennt.

Als erstes machte der Hörgeräteakustiker Abdrücke von Babys Ohren, um passgenaue Hörgeräte für ihn zu programmieren (dabei gab es wieder mega viel Geschrei dank Zahn Nummer 2 - meine Kinder haben immer so ein Timing...). Zum Glück wird alles von der Krankenkasse übernommen, jedes Gerät kostet nämlich 970 Euro, die Servicepauschale 842 Euro. Für Kinder und Jugendliche übernimmt die Krankenkasse auch alle Kontrollen, Feineinstellungen, Reinigungsgeräte, Reparaturen, die bunten Schalen für die Geräte (Otoplastiken) und die Batterien. Ich habe ein schönes Blau ausgesucht.

Die Hörgeräte

Als die Ohrstücke nach knapp einer Woche fertig waren, bekamen wir eine ganze Tasche mit Equipment für die Hörgeräte mit. Darunter eine Trockenbox, in der die Geräte nachts lagern müssen, um die Feuchtigkeit zu entziehen (wir bekommen noch ein elektrisches Teil für nachts, das effektiver ist), Ersatzbatterien (die müssen wöchentlich ausgetauscht werden), ein Gerät für den Akkustand der Batterien, sowas wie ein Blasebalg, um Feuchtigkeit nach der Reinigung aus den Ohrstücken rauszupusten und ein Trageband für draußen, damit die Hörgeräte nicht verloren werden.


Erstmal war ich ein bisschen erschlagen von der Masse an Informationen, was das tägliche Handling betraf. Aber recht schnell erwies sich der Umgang als gar nicht so kompliziert. Zum Glück stand der Hörgeräteakustiker auch telefonisch zur Verfügung. Denn erst verursachte ich ständig Rückkopplungen bei den Geräten, weil ich vergessen hatte, dass ich sie erst einschalten darf, wenn sie im Ohr sind. 

Wir müssen aktuell einen Beobachtungsbogen ausfüllen, um die Hörgeräte bei Bedarf nachzujustieren oder ein anderes Modell auszuprobieren, wenn wir oder unser Kind mit den jetzigen Geräten nicht klar kommen.

Seine Reaktion

Jetzt vielleicht das interessanteste am Blogpost: wie hat unser Kind reagiert?

Als er die Hörgeräte zum ersten Mal eingesetzt bekam und sie eingeschaltet wurden, hat er uns mit riesigen Augen angestarrt und gestrahlt. Mit den Hörgeräten ist er viel wacher, wesentlich aufmerksamer und fängt auch direkt an, differenziertere Laute zu bilden und vor sich hin zu plappern. Er grinst uns auch schon aus der Entfernung an, weil er uns viel besser hören kann.

Bislang hat er sich die Hörgeräte auch kein einziges Mal selbst aus den Ohren gezogen - laut  Akustiker ein Hinweis darauf, dass sie angemessen eingestellt sind.

Er macht große Augen und staunt durch die Gegend



Natürlich muss er die Reize ganz neu verarbeiten. Abends ist er wesentlich quengeliger und nachts unruhiger. Aber auch das wird sich legen. Unser großer Sohn hat zum Glück auch schon verstanden, dass er seinem kleinen Bruder nicht mehr an den Ohren rumfummeln soll. Er sagt sogar Bescheid, wenn die Geräte mal verrutschen, weil sich das Baby aktuell gerne über das Gesicht durch die Gegend schiebt.

Die Nachuntersuchungen

Warum ist er schwerhörig? Seine Blutuntersuchung ergab, dass keine Infektion während der Schwangerschaft (Toxoplasmose, Röteln, Zytomegalie, ...) vorlag, die zu der Schwerhörigkeit geführt haben könnte. Eine humangenetische Untersuchung wird erst nach vollständiger Prüfung der Unterlagen in Erwägung gezogen, da es wohl ein paar bekannte Gendefekte gibt. Aller Wahrscheinlichkeit nach - so zumindest die Ärzte - werden wir es nie erfahren und er hat bei der Zellteilung schlicht Pech gehabt.

So geht es weiter

Nächste Woche steht schon der nächste Termin an und es wird nicht allzu lange dauern, bis wir ganz neue Abdrücke für die Ohrstücke machen lassen müssen. Gerade in den ersten Jahren, wenn die Kinder so schnell wachsen, wird das regelmäßig passieren. Auch werden wir die sprachliche Entwicklung genau beobachten müssen und im Alltag durch pädagogische Mitarbeiter_innen der Pädaudiologie begleitet. Da kommt also eine ganze Menge auf uns zu, aber so lange unser Sohn damit zufrieden aufwachsen kann, lohnen sich die Mühen ja.

Außerdem haben wir jetzt ein Baby, das durch die Batterieanzeige der Hörgeräte im Dunkeln blinkt. Und das ist ja auch ganz cool ;).

Habt ihr Erfahrungen mit Schwerhörigkeit in eurer Familie? 

6 Kommentare:

  1. Hallo zusammen,
    vielen Dank, dass du uns deine Geschichte erzählst! Vor allem wenn es um das eigene Kind geht, sollte man höchst aufmerksam sein und auf alle Signale des Kindes achten. Einem Bekannten von mir erging es ebenso mit seinem. Er hat mir bei seiner Suche nach Hörgeräten dabei folgende Seite empfohlen.

    Viele Grüße
    Matti

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  2. Hallo wir sind noch am Anfang der Tests aber bis jetzt scheint mein kleiner Sohn schwerhörig zu sein, dadurch sind wir verunsichert und es kommen viele fragen in Kopf. Deshalb bin ich froh dass sie die Erfahrungen hier schildern, es beruhigt uns.

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    1. Hi!
      Habt ihr mittlerweile schon eine Diagnose? Ich schreibe demnächst ein Update, schließlich ist schon ein Jahr vergangen und wir leben ganz gut mit seiner Schwerhörigkeit. Gerade in Bezug auf den Spracherwerb :). Ich verlinke den Post dann hier!
      Liebe Grüße und alles Gute, chutriel

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    2. Das Update ist geschrieben und findet sich jetzt unter: https://mutterfreunde.wordpress.com/2017/10/03/schwerhoerigkeit-und-spracherwerb/

      Liebe Grüße :)

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  3. Hallo,
    Wir alt war euer Sohn denn als die Schwerhörigkeit sicher diagnostiziert wurde?
    Bei unserer 2. Tochter, geboren November 2017 waren bislang auch alle Hörtestsä negativ (im Krankenhaus direkt nach der Geburt und inzwischen auch 3x beim Pädaudiologen (einmal kurz nach der Geburt, zweimal im Januar, wobei sie davon einmal wach war) - die Mitarbeiter im Krankenhaus "trösten" uns bislang mit vielleicht sind die Gehörgänge noch zu eng, die Stöpsel passen ja auvh nicht ganz perfekt usw.... am Dienstag haben wir den nächsten Termin, dann ist sie fast 5 Monate alt und ich habe furchtbare Angst vor dem Ergebnis :-(

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    1. Hallo,
      unser Sohn war auch sechs Monate als, als wir auch die finale Diagnose bekommen haben. Ähnlich wie bei euch hieß es erst, dass die Gehörgänge noch zu eng seien oder er verschnupft ist. Da bekam er auch seine Hörgeräte. Mittlerweile hat sich die Diagnose mehrfach geändert - von mittlerer zu schwerer Schwerhörigkeit und wieder zurück. Er ist aber gut versorgt mit seinen Hörgeräten und spricht als bald 2,5jähriger wie ein gleichaltriges Kind. Wir haben also so gut wie gar keine wirklich echte Einschränkung im Alltag - vielleicht beruhigt dich das ja?!

      hier mein weiterführender Artikel: https://mutterfreunde.wordpress.com/2017/10/03/schwerhoerigkeit-und-spracherwerb/

      Wie schaut es bei euch denn mittlerweile aus?

      Liebe Grüße, chutriel

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