Mittwoch, 1. April 2015

Emotionale Narben auflösen - Heilgespräche und Heilbäder

Wie ihr in meinem letzten Blogpost lesen konntet, hat auch die psychologische Beratung am DDIF nicht wirklich geholfen, obwohl ich mir davon eine Menge versprochen habe.

Mit unserem Kind ist alles in Ordnung, unser Miteinander ist es auch, an der abendlichen Routine gibt es ebenfalls nichts auszusetzen (bzw. haben wir da wirklich alles möglichen Variationen durch) und wirklich gestresst fühle ich mich eigentlich nur von den schlaflosen Nächten. Was bleibt also? 

Unser Start an sich.

Auf der Neo-Intensivstation

Bis auf eine Ärztin - meine naturheilkundlich aufgestellte Hausärztin - wurde dieser nie als Problem in den Fokus genommen. Meistens hieß es zwar schon, man wisse nicht genau, was die Kinder aus dieser Erfahrung mitnehmen, aber konkrete Hilfestellung gab es weder von Hebammen noch von Kinderärzten oder den Familientherapeuten oder psychologischen Beraterinnen. So wie man schon im Wochenbett komplett alleine mit eventuellen traumatischen Erfahrungen aus der Schwangerschaft oder der Geburt ist, werden diese danach noch weniger thematisiert. Es scheint leichter, den Eltern generell "die Schuld" zu geben. 


Zwar wurde mir das sogenannte Re-Bonding von einer Bekannten schon früh ans Herz gelegt, aber es mussten über 1 1/2 Jahre ins Land gehen, bis ich mich dazu "überwinden" konnte. Überwinden ist vielleicht das falsche Wort, aber die Erfahrungen rund um die Geburt sind auf ihre Art so schmerzhaft, dass ich die erste Zeit ehrlich froh war, wenn ich nicht mehr daran zurück denken musste. Im Laufe des ersten Jahres verblasste die unmittelbare Erfahrung - mir wird nicht mehr schlecht, wenn ich an den Kaiserschnitt denke und eine zweite Schwangerschaft erfüllt mich nicht mehr mit Panik - doch merkte ich noch deutlich, dass da was nicht in Ordnung ist, wenn ich an der Narbe rührte und versuchte, das Erlebte in Worte zu fassen.

Und um auch weiterhin ehrlich zu bleiben: hätten wir jetzt nicht alles ausgeklammert, würde ich die Schublade geschlossen halten. Es gibt Erfahrungen, die man mit "habe ich überlebt" ad akta legen möchte, und die Geburt meines Kindes gehört dazu. Für manche vielleicht der schönste Tag in ihrem Leben, für mich der unübertroffen schlimmste. Deshalb war ich - auch aus egoistischen Selbstschutz-Gründen - erst sehr spät dazu bereit, genau DIESE Erfahrung als einen Grund für Sohnemanns schlechtes Schlafen zu akzeptieren.


Emotionale Narben auflösen - nach dem Buch von Meissner

Deshalb finde ich den Titel des Buchs von Brigitte Renate Meissner, welches mir meine liebe Pikeru ans Herz gelegt hat, sehr passend: "Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen".
Ende Februar habe ich schon von dem Buch in einem Blogpost geschrieben.

In diesem Buch werden drei Schritte aufgeführt, mit denen "aus frühkindlicher Zeit belastete Babys [...] zärtlich und heilsam aufgefangen und verletzte Mutter-Kind-Bindungen geheilt werden" können. 

Die in dem Buch aufgezählten möglichen Belastungen und Auswirkungen auf Mutter und Kind treffen in unserem Fall ziemlich genau zu...der Kaiserschnitt und die anschließende Trennung von mir können bei meinem Kind für ein erschüttertes Urvertrauen gesorgt haben, deshalb ist er nicht zur Tiefenentspannung fähig und schreckt nachts so oft hoch.

Sie schlägt in dem Buch Heilgespräche vor, welche mit Heilbädern begleitet werden sollen. Erst wird also über die traumatische Erfahrung gesprochen, dann mit dem Heilbad nachgeholt, was einem auf Grund von Komplikationen oder ähnlichem entgangen ist. Den dritten Schritt - der rosarote Herzfaden - klammere ich an der Stelle aus. Das ist mir dann doch zu viel Esoterik.

Mit den Heilgesprächen habe ich vor zwei Monaten begonnen, mit erstaunlichen Reaktionen (davon im nächsten Blogpost). Das Heilbad schiebe ich ungefähr schon so lange auf.

Warum fällt es mir so schwer? Frau Meissner widmet dem Widerwillen auch einen Abschnitt in ihrem Buch. Sie beruhigt die Leserinnen damit, dass man extreme Emotionen vor Kindern nicht verstecken muss. Kinder leben Gefühle aus, jederzeit und sofort - spätestens mit einem Kleinkind, das plötzlich total ausrasten kann und im nächsten Moment wieder herzlich lacht, unterschreibt man diese Aussage ohne Zweifel.

Das erste Foto - Bonding nach der Geburt war so nicht möglich

Trotzdem. Mussten wir nicht immer stark sein? Mussten wir unserem Kind nicht die ganze Zeit vermitteln, dass es keinen Grund zur Angst gibt? Wie anstrengend war es in der Klinik, diese Fassade aufrecht zu halten...Vor allem unter den Blicken und Worten der Hebammen, man "solle sich ja nicht so anstellen, das Kind brauche einen jetzt". Alle Tränen wurden runtergeschluckt, für die Wut und die Verzweiflung gab es keinen Raum. Auch im wahrsten Sinne, da ich wochenlang keine Privatssphäre hatte. Weinen konnte ich erst im Fahrstuhl, wenn ich mal eine halbe Minute alleine in der Kabine war. Wenn man sehen musste, wie viel schlechter es anderen Kinder auf den Stationen ging, wollte man sich gar nicht beschweren, dass die Geburt nicht so gelaufen ist, wie ursprünglich erhofft. Das Kind ist immerhin gesund, und das ist doch alles was zählt?! 

Erstmal vielleicht. Von den emotionalen Narben spricht keiner.

Schon beim Schreiben daran zurück zu denken, reicht mir. Aber auf der anderen Seite ist es aber auch wirklich egoistisch, meinem Kind diese Erfahrung abzusprechen. Er hat dies genau so durchmachen müssen wie wir, und wir suggerieren ihm mit dieser Fassade doch eigentlich, dass seine Gefühle falsch sind und wir sie übergehen.

Womit wir wieder bei Jesper Juul sind. 

Unser Kind zeigt uns mit seinem Verhalten auf (also seinem schlechtem Schlafen), dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Nur sind wir die Erwachsenen in der Beziehung und damit in der Pflicht, das Problem anzugehen. So schmerzhaft es auch wird.


Also, legen wir auf den Tisch, was schon längst in Schubladen verstaut war und thematisieren genau das, woran ich seit einem Jahr nicht mehr denken oder mich zurückerinnern möchte. Gerade läuft meine Suche nach einer fachfraulichen Begleitung für das Heilbad (alleine traue ich mir das nicht zu), von den durchgeführten Heilgesprächen berichte ich euch im nächsten Blogpost!

1 Kommentar:

  1. Deine Beiträge zu dem Thema sind sehr bewegend. Ich wünsche euch alles Gute und eine baldige Besserung!

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