Freitag, 5. September 2014

Die psychologische Beratung

Die Kinderärztin gab mir schließlich eine Überweisung in die Schreiambulanz der Frankfurter Kinderklinik mit. In der Abteilung für frühkindliche Regulationsstörung bekam ich schnell einen Termin.

Hier seht ihr die Internetseite des SPZ, weitere Informationen findet ihr unter: http://www.spz-frankfurt.de/
Zuerst fühlte ich mich mehr als unwohl, doch die Psychologin war eine sehr liebe und verständnisvolle Person, zu der sowohl Sohnemann (er krabbelte beim zweiten Termin direkt auf ihren Schoß) als auch ich schnell Vertrauen fassen konnte. Mir tat es ungemein gut, endlich Verständnis für unsere Lage und konkrete Handlungsvorschläge zu bekommen. Ein „das verwächst sich schon noch“ ist nun mal wenig hilfreich, wenn man sich schon am Rand der Verzweiflung befindet.

Sie beobachtete nicht nur mein Kind, sondern auch meinen Umgang mit ihm und stelle die ganze Zeit Fragen, wie wir unseren Alltag und das Zu-Bett-Bringen gestalten. Sie hörte sich auch meine ganzen vorangegangen Bemühungen an und erklärte mir, warum es bei meinem Kind nicht funktioniert.

Währenddessen wuselte Sohnemann aufgeregt durch ihr Büro, tatschte alles an, zog alles runter und kletterte in die kleinsten Ecken. Sein normales Verhalten also und laut der Psychologin der Grund, warum er so schwer zur Ruhe kommt und abends erst recht aufdreht. Ihrer Aussage nach befindet sich mein Kind auf der oberen Skala einer Art „Persönlichkeitsmessung“. Es gibt die gemütlichen, von Haus aus entspannten Kinder und die Rowdys. Natürlich auch eine ganze Menge dazwischen, mein Kind sei aber so reizoffen und aktiv, dass es sich seinen Input schon von ganz alleine sucht.

Meine Aufgabe sei es eher, diesen Überfluss an Reizen zu reglementieren, damit er sich nicht ständig überfordert. Außerdem muss er lernen, sich von alleine zu regulieren. Als Begrenzung darf mein Körper nicht mehr herhalten, sondern ich muss ihn Stück für Stück von mir entwöhnen.

Mh.

Das dachte ich dazu erst einmal. Von mir entwöhnen? Sich selbst regulieren? Aber er ist doch noch ein Baby. Nein, war ihre klare Antwort. Er ist kein Baby mehr und er kann viel mehr alleine, wenn ich ihm nur zeige, wie.

Sie lieferte mir direkt die Bestätigung ihrer Aussage – sonst wäre ich eventuell skeptischer gewesen. Wie schon geschrieben, tobte mein Kind also durch das Zimmer und fing irgendwann an, an mir rumzuzerren und zu heulen. Er war überfordert und ich nahm ihn also auf den Arm, wo er sofort ruhiger wurde. Da fragte sie mich, was denn passieren würde, wenn ich ihn jetzt in den Kinderwagen setzen würde. Er wird schreien und zurück wollen, sagte ich. Probieren Sie mal, war ihre Antwort.
Also setzte ich Sohnemann in seinen Kinderwagen und entgegen meiner Erwartung saß er ruhig da und spielte.

Das war ihr erster Ratschlag für die nächste Zeit: Ich sollte meinen Sohn alle halbe Stunde sozusagen aus dem Spiel nehmen, ihn kurz (!) auf meinem Arm beruhigen und dann dort absetzen, wo er Begrenzung erfährt, die ihm nicht durch meinen Körper gegeben wird. Entweder in den Kinderwagen oder in seinen Hochstuhl. Da soll er sich dann in Ruhe ein Buch angucken oder alleine spielen. Dazu sollte ich ihm jedes Mal auf dem Arm ein Kuscheltier anbieten, das er später mit ins Bett nehmen kann. Damit er irgendwann dieses Kuscheltier als Beruhigungshilfe akzeptiert.
So sollte er bald die Selbstregulation lernen können und auch abends weniger aufgedreht ins Bett gehen.
Gesagt, getan und die „Ergebnisse“ waren erstaunlich. Zumindest im Alltag wurde mein Kind von Tag zu Tag ruhiger, ich musste nur sehr genau auf seine Zwangspausen achten.

Abends war das Einschlafen allerdings immer noch unverändert, weil er nach wie vor aufdrehte und sich nicht beruhigen ließ. Zum Glück hatten wir regelmäßige Termine bei der Psychologin, in denen wir unsere Erfahrungen besprechen und noch ein paar weitere Tipps umsetzen konnten.
Beispielsweise gewöhnten wir ihm nachts die Flasche ab, was wunderbar funktionierte und zu einer ruhigeren Nacht führte. Das Einschlafen dauerte trotz ihrer Tipps weiterhin Stunden. Durch Sohnemanns extreme Empfänglichkeit für Reize ist unsere bloße Anwesenheit ausreichend, um ihn wieder aufzudrehen. Er muss also unbedingt alleine einschlafen lernen.

Da war es also. Mein Kind muss das Schlafen lernen. 

Alles in mir sträubte sich und ich sagte ganz klar, dass die Ferber-Methode für uns niemals in Frage kommt. Ich war schon mit den Verbesserungen zufrieden und dachte, der Rest ergibt sich vielleicht mit der Zeit.

Die Psychologin akzeptierte dies auch widerstandslos, zumal sie selbst betonte, dass sie die Ferber-Methode niemals als erstes und schon gar nicht für Kinder unter sechs Monaten empfiehlt. Mein Kind stand zu dem Zeitpunkt knapp vor seinem ersten Geburtstag. Sie gab mir trotzdem einen Informationszettel darüber und ihre Telefonnummer mit, weil sie auch ehrlich sagte, dass sie nicht mit einer Verbesserung in den nächsten Wochen rechnete. Ich soll sie aber unbedingt anrufen, da wir uns erst einmal in den Urlaub verabschiedeten und sie ein Update in den Wochen bis zum nächsten Termin haben wollte.

Der Infozettel der Psychologin
Tagsüber klappte das Schlafen auch wunderbar, unser Kind war durch die gesetzten Zwangspausen ausgeglichener als jemals zuvor. Nachts schlief er ohne Fütterungspausen endlich endlich endlich länger als nur zwei Stunden. 

Doch dann kam der Urlaub, in dem ich ihn eine Woche lang ins Bett bringen musste ohne mich mit M. abwechseln zu können und die Abende waren jedes Mal die reinste Katastrophe.
Es gab wieder totales Chaos: Mal schlief er Punkt Sieben mit seiner Flasche im Bett ein, mal schleppte ich ihn bis 21 Uhr im Zimmer rum, mal tobte er bis 23 Uhr durch die Wohnung und war total aufgedreht. Jeden Abend dieselbe Nervenprobe, meist endete das Schlafen im Geschrei seinerseits oder Tränen der Frustration auf meiner Seite.

Und ich wusste, die Psychologin hat Recht. Irgendwie wird das so niemals funktionieren und eine Methode muss her, an der ich mich entlang hangel kann.

Die Ferber-Methode lockt außerdem noch mit relativ schnellen Erfolgserlebnissen, weshalb ich nach der Woche alleine mit Kind zu allem bereit war. Gebrüllt wird abends bei uns ohnehin, alleine im Zimmer muss ich ihn auch ab und zu lassen, weil ich sonst durchdrehe. Wo ist also der Unterschied? 

So entschloss ich mich, nach dem Urlaub mit dem Ferbern anzufangen und stellte direkt am ersten Tag fest, dass es sehr wohl einen Unterschied gibt. Denn schlimmer hätte es kaum sein können...

Lest im nächsten Post, wieso ich nach einem Tag Ferbern alles in Zweifel zog und nun völlig ratlos war. 

(Hier könnt ihr den Start der Reihe nachlesen)

3 Kommentare:

  1. Uah Cliffhanger... gemein... :)
    Chutriel ich liebe deine Beiträge sehr. Bin schon auf den nächsten gespannt.

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  2. Das freut mich :).
    Am Montag kommt die Fortsetzung!

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  3. Ich liebe deine Beiträge und bin schon super gespannt auf die Fortsetzung!

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