Die Kinderärztin gab mir schließlich eine Überweisung in die
Schreiambulanz der Frankfurter Kinderklinik mit. In der Abteilung für
frühkindliche Regulationsstörung bekam ich schnell einen Termin.
Hier seht ihr die Internetseite des SPZ, weitere Informationen findet ihr unter: http://www.spz-frankfurt.de/ |
Zuerst fühlte ich mich mehr als unwohl, doch die Psychologin
war eine sehr liebe und verständnisvolle Person, zu der sowohl Sohnemann (er
krabbelte beim zweiten Termin direkt auf ihren Schoß) als auch ich schnell
Vertrauen fassen konnte. Mir tat es ungemein gut, endlich Verständnis für
unsere Lage und konkrete Handlungsvorschläge zu bekommen. Ein „das verwächst
sich schon noch“ ist nun mal wenig hilfreich, wenn man sich schon am Rand der
Verzweiflung befindet.
Sie beobachtete nicht nur mein Kind, sondern auch meinen
Umgang mit ihm und stelle die ganze Zeit Fragen, wie wir unseren Alltag und das
Zu-Bett-Bringen gestalten. Sie hörte sich auch meine ganzen vorangegangen
Bemühungen an und erklärte mir, warum es bei meinem Kind nicht funktioniert.
Währenddessen wuselte Sohnemann aufgeregt durch ihr Büro,
tatschte alles an, zog alles runter und kletterte in die kleinsten Ecken. Sein
normales Verhalten also und laut der Psychologin der Grund, warum er so schwer
zur Ruhe kommt und abends erst recht aufdreht. Ihrer Aussage nach befindet sich
mein Kind auf der oberen Skala einer Art „Persönlichkeitsmessung“. Es gibt die
gemütlichen, von Haus aus entspannten Kinder und die Rowdys. Natürlich auch
eine ganze Menge dazwischen, mein Kind sei aber so reizoffen und aktiv, dass es
sich seinen Input schon von ganz alleine sucht.
Meine Aufgabe sei es eher, diesen Überfluss an Reizen zu
reglementieren, damit er sich nicht ständig überfordert. Außerdem muss er
lernen, sich von alleine zu regulieren. Als Begrenzung darf mein Körper nicht
mehr herhalten, sondern ich muss ihn Stück für Stück von mir entwöhnen.
Mh.
Das dachte ich dazu erst einmal. Von mir entwöhnen? Sich
selbst regulieren? Aber er ist doch noch ein Baby. Nein, war ihre klare
Antwort. Er ist kein Baby mehr und er kann viel mehr alleine, wenn ich ihm nur
zeige, wie.
Sie lieferte mir direkt die Bestätigung ihrer Aussage –
sonst wäre ich eventuell skeptischer gewesen. Wie schon geschrieben, tobte mein
Kind also durch das Zimmer und fing irgendwann an, an mir rumzuzerren und zu
heulen. Er war überfordert und ich nahm ihn also auf den Arm, wo er sofort
ruhiger wurde. Da fragte sie mich, was denn passieren würde, wenn ich ihn jetzt
in den Kinderwagen setzen würde. Er wird schreien und zurück wollen, sagte ich.
Probieren Sie mal, war ihre Antwort.
Also setzte ich Sohnemann in seinen Kinderwagen und entgegen
meiner Erwartung saß er ruhig da und spielte.
Das war ihr erster Ratschlag für die nächste Zeit: Ich
sollte meinen Sohn alle halbe Stunde sozusagen aus dem Spiel nehmen, ihn kurz
(!) auf meinem Arm beruhigen und dann dort absetzen, wo er Begrenzung erfährt,
die ihm nicht durch meinen Körper gegeben wird. Entweder in den Kinderwagen
oder in seinen Hochstuhl. Da soll er sich dann in Ruhe ein Buch angucken oder
alleine spielen. Dazu sollte ich ihm jedes Mal auf dem Arm ein Kuscheltier
anbieten, das er später mit ins Bett nehmen kann. Damit er irgendwann dieses
Kuscheltier als Beruhigungshilfe akzeptiert.
So sollte er bald die Selbstregulation lernen können und auch abends weniger aufgedreht ins Bett gehen.
So sollte er bald die Selbstregulation lernen können und auch abends weniger aufgedreht ins Bett gehen.
Gesagt, getan und die „Ergebnisse“ waren erstaunlich.
Zumindest im Alltag wurde mein Kind von Tag zu Tag ruhiger, ich musste nur sehr
genau auf seine Zwangspausen achten.
Abends war das Einschlafen allerdings immer noch
unverändert, weil er nach wie vor aufdrehte und sich nicht beruhigen ließ. Zum
Glück hatten wir regelmäßige Termine bei der Psychologin, in denen wir unsere
Erfahrungen besprechen und noch ein paar weitere Tipps umsetzen konnten.
Beispielsweise gewöhnten wir ihm nachts die Flasche ab, was
wunderbar funktionierte und zu einer ruhigeren Nacht führte. Das Einschlafen
dauerte trotz ihrer Tipps weiterhin Stunden. Durch Sohnemanns extreme
Empfänglichkeit für Reize ist unsere bloße Anwesenheit ausreichend, um ihn
wieder aufzudrehen. Er muss also unbedingt alleine einschlafen lernen.
Da war es also. Mein Kind muss das Schlafen lernen.
Alles in
mir sträubte sich und ich sagte ganz klar, dass die Ferber-Methode für uns
niemals in Frage kommt. Ich war schon mit den Verbesserungen zufrieden und
dachte, der Rest ergibt sich vielleicht mit der Zeit.
Die Psychologin akzeptierte dies auch widerstandslos, zumal
sie selbst betonte, dass sie die Ferber-Methode niemals als erstes und schon
gar nicht für Kinder unter sechs Monaten empfiehlt. Mein Kind stand zu dem Zeitpunkt knapp vor seinem ersten Geburtstag. Sie gab mir trotzdem einen
Informationszettel darüber und ihre Telefonnummer mit, weil sie auch ehrlich
sagte, dass sie nicht mit einer Verbesserung in den nächsten Wochen rechnete.
Ich soll sie aber unbedingt anrufen, da wir uns erst einmal in den Urlaub
verabschiedeten und sie ein Update in den Wochen bis zum nächsten Termin haben
wollte.
Der Infozettel der Psychologin |
Tagsüber klappte das Schlafen auch wunderbar, unser Kind war
durch die gesetzten Zwangspausen ausgeglichener als jemals zuvor. Nachts
schlief er ohne Fütterungspausen endlich endlich endlich länger als nur zwei
Stunden.
Doch dann kam der Urlaub, in dem ich ihn eine Woche lang ins Bett bringen musste ohne mich mit M. abwechseln zu können und die Abende waren jedes Mal
die reinste Katastrophe.
Es gab wieder totales Chaos: Mal schlief er Punkt Sieben mit
seiner Flasche im Bett ein, mal schleppte ich ihn bis 21 Uhr im Zimmer rum, mal
tobte er bis 23 Uhr durch die Wohnung und war total aufgedreht. Jeden Abend
dieselbe Nervenprobe, meist endete das Schlafen im Geschrei seinerseits oder
Tränen der Frustration auf meiner Seite.
Und ich wusste, die Psychologin hat Recht. Irgendwie wird
das so niemals funktionieren und eine Methode muss her, an der ich mich entlang hangel kann.
Die Ferber-Methode lockt außerdem noch mit relativ schnellen
Erfolgserlebnissen, weshalb ich nach der Woche alleine mit Kind zu allem bereit
war. Gebrüllt wird abends bei uns ohnehin, alleine im Zimmer muss ich ihn auch ab
und zu lassen, weil ich sonst durchdrehe. Wo ist also der Unterschied?
So
entschloss ich mich, nach dem Urlaub mit dem Ferbern anzufangen und stellte
direkt am ersten Tag fest, dass es sehr wohl einen Unterschied gibt. Denn schlimmer hätte es kaum sein können...
(Hier könnt ihr den Start der Reihe nachlesen)
Uah Cliffhanger... gemein... :)
AntwortenLöschenChutriel ich liebe deine Beiträge sehr. Bin schon auf den nächsten gespannt.
Das freut mich :).
AntwortenLöschenAm Montag kommt die Fortsetzung!
Ich liebe deine Beiträge und bin schon super gespannt auf die Fortsetzung!
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