Donnerstag, 23. Oktober 2014

Wie mein Kind mich veränderte

Vor einigen (nun ja, mittlerweile etlichen) Wochen ist mein Sohn ein Jahr alt geworden. Zeit. um sich über die großen Veränderungen klar zu werden.

An Sohnemann ist das erste Jahr natürlich am deutlichsten abzulesen: vom winzigen Baby, das noch nicht mal alleine trinken konnte, zum Kleinkind, das schon laufen kann und seine ersten Wörter spricht. Aber bei mir hat sich auch eine Menge getan, Veränderungen, die ich in dem Blogpost Mythbusters, dein Kind verändert deine Einstellung angesprochen habe. Ein paar habe ich für euch zusammengefasst:
  1. Ich dachte, ich wäre eitel
    Vielleicht ist meine Faulheit einfach nur größer als meine Eitelkeit. Ich weiß es nicht. Aber früher ging ich nie ungeschminkt aus dem Haus, mittlerweile kontrolliere ich nur, ob meine Haare gewaschen sind und die Kleidung sauber ist. Sogar in der Schwangerschaft war für mich die Möglichkeit, Streifen am Bauch zu bekommen, schlimmer und präsenter als die drohende Frühgeburt. Streifen habe ich zwar keine, aber dafür sind meine Brüste…ähm, nicht mehr vorhanden und meine Bauchdecke erschlafft. An schlechten Tagen ärgere ich mich darüber, aber an den meisten anderen finde ich es ziemlich egal. Und ich genieße die Gelassenheit, die damit einhergeht, wenn man äußerlich wie eine Fregatte auftreten und sich trotzdem wohl fühlen kann, weil der selbstkritische Blick einfach milder geworden ist.

  2. Ich dachte, Zuhause wäre es am entspanntesten
    Vor der Geburt fand ich meinen Job stressig. Jetzt würde ich mir nur einen Tag im Büro wünschen. Natürlich habe ich damit gerechnet, dass ein Kind Zuhause zu betreuen, anstrengend werden wird. Aber SO? Um Gottes Willen, das konnte ja keiner ahnen. Jetzt beneide ich M. um die paar Stunden Freiheit, die nicht jemand ständig an ihm rumzerrt, die er auf Klo gehen und und essen kann, wann immer er will und die er mal die Gedanken schweifen lassen kann, ohne zu riskieren, dass Sohnemann wegen Unachtsamkeit wieder in der Notaufnahme landet (schon dreimal passiert). Sollte ich also jemals wieder arbeiten gehen, werde ich es genießen und die motivierteste Mitarbeiterin des Jahrhunderts werden.

  3. Ich dachte, ich wäre nicht belastbar
    Eine anstrengende Arbeitswoche hat mich vor zwei Jahren nachhaltig fertig gemacht. In einer stressigen Phase im Studium bekam ich sogar mal einen Hörsturz und war einen ganzen Monat lahm gelegt.
    Und jetzt? Seit über einem Jahr habe ich 16-Stunden-Arbeitstage und selten mehr als fünf Stunden Schlaf am Stück. Trotzdem war ich genau vier Tage krank. Vier Tage, in einem Jahr! 
    Und keiner will Mütter einstellen? Wie absurd…ich kenne niemanden, der so viel arbeitet und so wenig ausfällt wie Frauen mit kleinen Kindern.

  4. Ich dachte, Erziehung sei eine Frage der Konsequenz
    Erziehungstipps geben ohne selbst Kinder zu haben…ja, da war ich auch ganz groß drin. Wie peinlich, weil ich selbst so ziemlich alles über Bord geworfen habe, was ich mir mal vorgenommen habe. Kein Fernsehen für das Kind? Pffft, Hauptsache es ist mal fünf Minuten ruhig. Immer selbst kochen und keine fertigen Gläschen? Man, Hauptsache, ich muss nicht AUCH NOCH kochen. Tobsuchtsanfälle werden mit liebevoller Geduld überstanden, vor allem in der Öffentlichkeit? Ähm…Meistens klemme ich mir das kreischende Kind einfach unter den Arm und setze meinen Einkauf fort. Die Liste lässt sich noch fortsetzen.
    Deshalb bin ich mittlerweile froh, wenn mir nervige Ratschläge von nichtsahnenden Kinderlosen, aus dem letzten Jahrhundert von Omas oder von Müttern mit anderer Gesinnung erspart bleiben und bin selbst immer ganz ruhig, wenn es um die Erziehung anderer Kinder geht. Und ich wünschte mir, ein Großteil der Mütter wäre es auch. Nur, WEIL man Kinder hat, rechtfertigt das immer noch keine großspurigen Hinweise, wie man was besser zu machen hat. Deshalb beuge ich mein Haupt in Demut und bitte öffentlich um Entschuldigung für jeden dämlichen Ratschlag, der in Vergangenheit von mir kam. Einfach nur konsequent sein – es gibt nichts Schwereres in der Erziehung des eigenen Kindes.

  5. Ich dachte, das Leben mit Kind sei die totale Einschränkung
    Wenn man sich dazu entschließt, ein Kind zu bekommen, stellt man sich ja zumindest gedanklich schon mal auf das Zurückstecken ein. Kino, Ausschlafen, Hobbys, aber auch andere Dinge, die man vorher so zur „Selbstverwirklichung“ gebraucht hat, sind für die erste Zeit ad akta gelegt. Das stimmt natürlich. Und manchmal nervt es ganz schön.
    Womit ich aber nicht gerechnet habe, ist die völlig neue Perspektive auf das Leben, die einem das Kind schenkt. Ohne Kind konnte man über Auto-Aukleber wie „Mich regt nichts auf, ich habe Kinder“ nur genervt seufzen. Aber es stimmt. Was vorher ein totales Drama war, ist jetzt nebensächlich. Was einen vorher gestört hat, bemerkt man oft nicht einmal mehr und was man vorher zur Erholung gebraucht hat, kann nicht mehr mithalten mit dem Sonnenschein, der Zuhause auf einen wartet. Kein Tag kann so schlecht gelaufen sein, als dass er nicht durch das Kind trotzdem wertvoll und lebenswert gewesen ist. 
Insgesamt kann ich also sagen, dass mich mein Kind zu einem besseren Menschen gemacht hat. Ich gehe fröhlicher, optimistischer, versöhnlicher und entspannter durch mein Leben. Denn mein Kind ist meine tägliche Erinnerung an alles Schöne im Leben. Und das will bei einer Vollzeit-Pessimistin wie mir schon was heißen.

3 Kommentare:

  1. Mal wieder großartig und auf den Punkt.
    Ich finde mich in jedem Punkt zu 100% wieder.
    Deine Beiträge sind eine echte Bereicherung.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank :)! Für mich ist es immer wieder gut zu hören, dass es auch anderen da draußen so geht.

      Löschen
  2. Oh mensch, ich liebte deine Art zu schreiben schon immer und wieder hast du es zu 100% auf den Punkt gebracht :D

    Lg,
    Sophie

    AntwortenLöschen