Montag, 29. September 2014

Mythbusters #2 – der vergessene Schmerz

„Wenn du dein Kind siehst, ist jeder Schmerz vergessen!“ 

Je schlechter es einem nach der Geburt geht, umso häufiger wird der Satz gebraucht. 

Ja, das eigene Kind dann in den Armen zu halten, ist die Belohnung. Es wiegt den Schmerz auf. Hätte ich gewusst, was mich nach der Geburt alles erwartet, hätte ich meinen Sohn trotzdem (oder eher ganz sicher) in freudiger Erwartung bekommen. Sogar ohne mit der Wimper zu zucken.

Aber es macht nicht vergessen, was man körperlich, psychisch und emotional erlebt hat und in der folgenden umwälzenden Zeit erleben wird. Mir geht es auch nicht um eine Diskussion darüber, ob es sich „gelohnt“ hat, das steht außer Frage – wird bei meinen Blogposts meist wohl auch nicht so deutlich, deshalb erwähne ich es dieses Mal bewusst *hüstel* (ja, ich habe die Tendenz, das Negative zu betonen, aber von der rosaroten Babyfreude-Welt gibt es meiner Meinung nach genügend).

Mir geht es um die Anerkennung der Leistung, die Frauen physisch und psychisch erbringen. So ein Wunder spaziert nicht von alleine auf die Welt und durch sie durch. So ist es doch nachvollziehbar, dass man vor überwältigendem Stolz und vielleicht manchmal falscher Erwartungshaltung nicht an sich halten kann, ist der Nachwuchs doch der fleischgewordene Beweis dieser Leistung.

Vielleicht stimmt der Mythos aber auch zum Teil. Andere Mütter berichten von dieser Erfahrung, man ist wie auf Drogen, benebelt vor Liebe und Zuneigung, die stundenlange Qual der Geburt ist vergessen…

Ich zumindest teile diese Erfahrung nicht. Durch die Frühgeburt, den Kaiserschnitt, den folgenden Komplikationen, die Kinderklinik, das nicht funktionierende Stillen, etc. merkte ich nichts von den Mami-Super-Hormonen. 

Die hohe Kaiserschnittrate lässt vermuten, dass es tendenziell vielleicht mehr Frauen gibt, denen dieser Hormonrausch verwehrt wird. Das hier soll kein Manifest gegen den Kaiserschnitt sein. Mir geht es viel mehr um das Recht auf Unversehrtheit unserer Körper und dem respektlosem Umgang damit. Wobei die steigende Rate vielleicht ein Symptom davon ist (durchaus diskutabel).

"Wenn du dein Kind siehst, ist jeder Schmerz vergessen!"

www.ayaeneli.com
Schlepp' mal deinen geburtswunden Körper über die Gänge und versorge einen Säugling, da klingt der Satz zum Teil wie Hohn. Während man das das Pingpong der inneren Organe und den Beckenboden an den Knien fühlt, will man sowas nicht hören. Dieser Satz entwertet meiner Meinung nach auch die Folgen, unter denen einige von uns unser ganzes Leben zum Teil auch „leiden“ werden. Dabei rede ich nicht nur davon, sich nach Lachen und Husten einzunässen oder von ästhetischen Problemen (jajajaja, wir sind alle Tigermoms oder so), sondern auch davon, dass wir den Raubbau an unserem Körper lange Zeit spüren. Ich trage die Erschöpfung der nachgeburtlichen Zeit immer noch mit mir rum und kenne viele Mütter, denen es so geht.

Ich habe den Schmerz also eher vergessen, weil er von einer Reihe anderer Empfindungen und Erfahrungen abgelöst wurde, die ich mir nicht mal im Traum hätte ausmalen können.

Die meisten davon sind positiver Natur (keine Frage, aber sicherheitshalber nochmal erwähnt), aber einige erreichen doch teilweise einen Grad der … ähm, Unannehmlichkeiten, über die ich vorher nur erschrocken die Luft angehalten hätte. 

Da möchte ich auf „Wenn du dein Kind siehst, ist der Schmerz doch vergessen“ nur Körperteile zeigen und sagen: „Wenn du DAS hier siehst, weißt du erst, was Schmerzen sind!“

3 Kommentare:

  1. Ich hatte eine normale Geburt.
    Und ich habe nach der Geburt die Schmerzen nicht vergessen, auch heute 7 Monate danach nicht.
    Vor der ersten Geburt hatte ich Angst, vor der zweiten die wahrscheinlich irgendwann folgt: Panik :D

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    1. Einer Freundin von mir gehts genauso. Sie hat ihre Tochter vor 4 Jahren bekommen und sagt heute noch, das sie sich diese Schmerzen nie wieder antun wird.

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  2. Bei meiner ersten Geburt musste ich nach vielen, vielen Stunden Wehen, mit Pausen nur durch Wehenhemmer, einem Kaiserschnitt zustimmen, weil das Baby schlechte Herztöne hatte und einfach nichts mehr ging. Das war traumatisch für mich.

    Die Kaiserschnittnarbe hat ein ganzes Jahr lang andauernd weh getan, ein weiteres Jahr noch sehr häufig. Erst ab dem dritten Jahr nach der Operation schmerzte die Narbe nur noch bei Wetterumschwüngen. Nachdem mir meine Osteopathin in den letzten Monaten immer wieder die Narbe behandelt hat, tut mir diese jetzt endlich, nach fast vier Jahren, gar nicht mehr weh!

    Was tat mir der folgende Satz in den letzten Jahren vielleicht weh! "Hauptsache, das Kind ist gesund!"
    Das ist wunderbar, gar keine Frage! Aber dass ICH kein bisschen gesund war, weder körperlich, noch seelisch, das interessiert/e offenbar keinen (der das sagt/e)!

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