Freitag, 25. Juli 2014

Frühgeburt, Klinik-Trauma, Regulationsstörung, ADS-Verdacht – das zweite halbe Jahr

Im ersten halben Lebensjahr vom Baby braucht man keinen Rhythmus erwarten. Im Gegenteil, bedürfnisorientiertes Verhalten ist für eine gute Entwicklung und Bindung wichtig. Ich bin dem gerne nachgekommen und habe meinem Kind immer und jederzeit das gegeben, was es gebraucht hat. Ob es die Flasche, Nähe oder Aufmerksamkeit war. Mein Sohn wurde aber mit steigenden Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Bewegung immer zappeliger und unruhiger. Und ich verlor den Blick dafür, was er braucht.

Abends drehte das Kind völlig auf, unabhängig von seiner Müdigkeit. Seit er das Krabbeln für sich entdeckte, ließ er sich gar nicht mehr hinlegen, sondern rollte sich sofort auf den Bauch und krabbelte durch das Bett. Er wehrte sich gegen das Rumtragen, bzw. zerrte und riss so lange an mir rum, bis mir die Freude daran verging und ich den Eindruck bekam, er will gar nicht mehr getragen werden. Ein schönes Abendprogramm mit ihm durchzuführen war unmöglich. Kaum saß ich mit ihm auf dem Schoß, zappelte er und kletterte auf mir rum. Kaum Hingelegt, drehte er sich sofort auf den Bauch und krabbelte los. Dabei fiel er einmal sogar aus unserem Bett und stieß sich in seinem Bett ständig an Kopf- oder Fußende. Das Geturne nahm einfach kein Ende, egal, wie erschöpft er war.

Später, wenn ich mit meiner Geduld und er mit seinen Kräften am Ende war, hielt ich ihn so lange fest, bis er unter wildem Gebrüll und Gezappel endlich einschlief. Was auch nicht immer funktionierte. Ich spreche hier außerdem von Zeiträumen von zwei bis vier Stunden, die das Theater aus Hinlegen-Rumtoben-zurRuhenötigen-Hinlegen-Geschrei-Toben-… dauerte. Nicht, dass ihr denkt, mich hätte nach einer halben bereits die Geduld verlassen.

Nachts hatten wir das Drama immer noch zu denselben Aufwachzeiten – um Mitternacht, gegen drei und gegen fünf. Es wurde einfach nicht besser. Die Tage mit ihm derweil aber immer anstrengender. Von dem Rowdy habt ihr hier schon gelesen.

Tagsüber schlief er nie länger als 20 Minuten, wobei dann das Einschlafen komischerweise selten ein Problem war. Deshalb gebe ich an dieser Stelle auch zu, dass ich abends dringend meine Ruhe brauchte. Dass ich sie unbedingt nötig hatte, dass ich nach 12 Stunden Tagen mit diesem Wirbelwind einfach nicht mehr konnte. Er brüllte die ganze Zeit und ich war erst vor Verzweiflung tieftraurig, dann irgendwann nur noch müde und schwer genervt.

Und das war doch für niemanden schön und kann doch auch nicht sein, was er braucht. Von meiner Erschöpfung mal abgesehen, war mein Kind permanent unausgeschlafen, quengelig, schnell überfordert und schon direkt nach dem Aufstehen wieder müde. Seit er krabbeln und ein bisschen laufen konnte, nahm sein Überforderungsgeschrei am Tag schon fast manische Züge an.

Also ließ ich nichts unversucht, um herauszufinden, wie wir ihn entspannter in den Schlaf begleiten konnten, ohne ihn niederringen zu müssen. Teilweise musste ich mich auf ihn drauflegen, damit er mit dem Gestrampel aufhörte. So kassierte ich von ihm ständig Tritte in den Magen oder Schläge ins Gesicht, beim Rumtragen haute er mir die Brille von der Nase und riss mir die Haare raus. Ich war so bedient und fuhr M. abends meistens nur mit den Worten an, er soll mir bloß das Kind aus dem Blickfeld schaffen, sonst schüttel ich es…
 
Und nein, niemals dachte ich, es wäre seine Schuld oder er macht es, um mich zu ärgern. Trotzdem wurde ich von negativen Gefühlen ihm gegenüber allabendlich überwältigt, was ich furchtbar fand. Deshalb suchte ich schon fast die ganze Zeit, die er auf der Welt ist, nach Alternativen und Möglichkeiten, diesem „Problem“ (was nicht das Kind ist) auf die Spur zu kommen.


Im nächsten Post führe ich euch eine kleine Auswahl von dem vor, was ich alles probierte. Und was alles nichts brachte.

Hier geht es zur Fortsetzung und hier zum Beginn der Reihe.

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