Im ersten halben Lebensjahr vom Baby braucht man keinen Rhythmus
erwarten. Im Gegenteil, bedürfnisorientiertes Verhalten ist für eine gute
Entwicklung und Bindung wichtig. Ich bin dem gerne nachgekommen und habe meinem
Kind immer und jederzeit das gegeben, was es gebraucht hat. Ob es die Flasche,
Nähe oder Aufmerksamkeit war. Mein Sohn wurde aber mit steigenden Fähigkeiten
und Möglichkeiten zur Bewegung immer zappeliger und unruhiger. Und ich verlor
den Blick dafür, was er braucht.
Abends drehte das Kind völlig auf, unabhängig von seiner
Müdigkeit. Seit er das Krabbeln für sich entdeckte, ließ er sich gar nicht mehr
hinlegen, sondern rollte sich sofort auf den Bauch und krabbelte durch das Bett.
Er wehrte sich gegen das Rumtragen, bzw. zerrte und riss so lange an mir rum,
bis mir die Freude daran verging und ich den Eindruck bekam, er will gar nicht
mehr getragen werden. Ein schönes Abendprogramm mit ihm durchzuführen war
unmöglich. Kaum saß ich mit ihm auf dem Schoß, zappelte er und kletterte auf
mir rum. Kaum Hingelegt, drehte er sich sofort auf den Bauch und krabbelte los.
Dabei fiel er einmal sogar aus unserem Bett und stieß sich in seinem Bett ständig
an Kopf- oder Fußende. Das Geturne nahm einfach kein Ende, egal, wie erschöpft
er war.
Später, wenn ich mit meiner Geduld und er mit seinen Kräften
am Ende war, hielt ich ihn so lange fest, bis er unter wildem Gebrüll und
Gezappel endlich einschlief. Was auch nicht immer funktionierte. Ich spreche
hier außerdem von Zeiträumen von zwei bis vier Stunden, die das Theater aus
Hinlegen-Rumtoben-zurRuhenötigen-Hinlegen-Geschrei-Toben-… dauerte. Nicht, dass
ihr denkt, mich hätte nach einer halben bereits die Geduld verlassen.
Nachts hatten wir das Drama immer noch zu denselben
Aufwachzeiten – um Mitternacht, gegen drei und gegen fünf. Es wurde einfach
nicht besser. Die Tage mit ihm derweil aber immer anstrengender. Von dem Rowdy
habt ihr hier schon gelesen.
Tagsüber schlief er nie länger als 20 Minuten, wobei dann
das Einschlafen komischerweise selten ein Problem war. Deshalb gebe ich an
dieser Stelle auch zu, dass ich abends dringend meine Ruhe brauchte. Dass ich sie
unbedingt nötig hatte, dass ich nach 12 Stunden Tagen mit diesem Wirbelwind
einfach nicht mehr konnte. Er brüllte die ganze Zeit und ich war erst vor
Verzweiflung tieftraurig, dann irgendwann nur noch müde und schwer genervt.
Und das war doch für niemanden schön und kann doch auch
nicht sein, was er braucht. Von meiner Erschöpfung mal abgesehen, war mein Kind
permanent unausgeschlafen, quengelig, schnell überfordert und schon direkt nach
dem Aufstehen wieder müde. Seit er krabbeln und ein bisschen laufen konnte,
nahm sein Überforderungsgeschrei am Tag schon fast manische Züge an.
Also ließ ich nichts unversucht, um herauszufinden, wie wir
ihn entspannter in den Schlaf begleiten konnten, ohne ihn niederringen zu müssen.
Teilweise musste ich mich auf ihn drauflegen, damit er mit dem Gestrampel
aufhörte. So kassierte ich von ihm ständig Tritte in den Magen oder Schläge ins
Gesicht, beim Rumtragen haute er mir die Brille von der Nase und riss mir die
Haare raus. Ich war so bedient und fuhr M. abends meistens nur mit den Worten
an, er soll mir bloß das Kind aus dem Blickfeld schaffen, sonst schüttel ich es…
Und nein, niemals dachte ich, es wäre seine Schuld oder er
macht es, um mich zu ärgern. Trotzdem wurde ich von negativen Gefühlen ihm
gegenüber allabendlich überwältigt, was ich furchtbar fand. Deshalb suchte ich
schon fast die ganze Zeit, die er auf der Welt ist, nach Alternativen und
Möglichkeiten, diesem „Problem“ (was nicht das Kind ist) auf die Spur zu
kommen.
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