Hach, wie naiv man anfangs an eine Schwangerschaft herangeht! Ich sollte schon noch lernen, dass ich sehr wohl aus Zucker bin. Die Übelkeit wurde zum Teil meines Tages und beschränkte sich nicht nur auf den Morgen. War das noch normal? Die Gespräche mit meiner Mama und meiner Schwester halfen mir, eine Woche zu überstehen: Sie beide litten nämlich in ihren Schwangerschaften etwa eine Woche durchgehend an Übelkeit, aber danach hatte sich ihr Körper an die vielen Hormone gewöhnt. Das ist doch schaffbar, dachte ich.
Ich hätte alles gemacht, damit es aufhört!
Tapfer hielt ich sogar noch eine zweite Woche aus. Schwangerschaft ist ja keine Krankheit. Aber wie damit leben? Zu Spitzenzeiten übergab ich mich dreimal die Stunde! Ich behielt weder Nahrung noch Flüssigkeit bei mir und fühlte mich so furchtbar wie noch nie zuvor. Der Arzt verschrieb Vomex. Freunde rieten zu Ingwer und Fenchel oder dem Medikament Nausema. Ich sollte vor dem Aufstehen schon etwas essen, an einer Zitrone riechen, mir einen Haargummi ums Handgelenk binden, Cola trinken und Fisherman´s friend lutschen. Ich griff nach jedem Strohhalm...
Es half nichts. Trotzdem gab es Pflichten, denen ich nachgehen musste. Die Uni, der Nebenjob... Nach einem Beratungsgespräch bei der Esperanza übergab ich mich sogar auf der Hofgartenwiese bei der Uni. Auf öffentlichen Toiletten klopften Leute gegen meine Tür und fragten, ob alles in Ordnung sei. "Ja, ich bin nur schwanger", gab ich zurück. Gemeint habe ich: "Nein, ich sterbe."
Wie anfällig war ich auch für die Erklärung der Hebamme, die ich aufsuchte! Mittlerweile hatte ich begriffen, dass ich aus Zucker war. Ich hielt das nicht mehr aus. Die Hebamme analysierte: "Sie dachten, die Schwangerschaft läuft einfach nebenbei und sie könnten ohne Einschränkungen weiterhin studieren und arbeiten, aber ihr Körper reagiert nur auf den Stress, dem sie sich aussetzen. Sie werden lahmgelegt, damit sie sich nicht überanstrengen und jetzt schon merken, wie es sein wird, ein Baby zu haben."
Ich riss mich zusammen, um nicht zu weinen. Doch so plausibel mir diese Erklärung im ersten Moment schien, so sehr möchte ich andere Schwangere davor warnen, den Fehler bei sich selbst zu suchen. Es ist sehr leicht, alles auf die Psyche zu schieben. Sie leiden unter Stress. Sie fürchten sich vor der Geburt. Sie ängstigen sich, als Mutter zu versagen. – NEIN!
Diese Erkenntnis war die wichtigste: Ich war nicht selbst Schuld! Die extreme Schwangerschaftsübelkeit, die ich durchlitt, basierte nicht auf einem psychischen Problem oder Stress. Ich hatte sehr wohl bereits Platz in meinem Leben geschaffen: Die Bachelorarbeit war abgegeben, ich spielte nicht mehr Theater, hing Volleyball an den Nagel und beendete auch mein Ehrenamt bei Balu und Du. Ich verpasste die Diamantenhochzeit der Großeltern meines Mannes und traf kaum noch Freunde. Stattdessen lag ich den ganzen Tag auf dem Sofa und übergab mich... Ich hatte keine Angst vor der Geburt, sondern freute mich auf diesen erlösenden Tag.
Im Krankenhaus bekam ich endlich die Diagnose: Hyperemesis gravidarum
Nachdem mein Frauenarzt es sogar mit Akupunktur versucht hatten, kam der Sonnabend, an dem ich beschloss, ins Krankenhaus zu gehen. Innerhalb von vier Wochen hatte ich zehn Kilogramm abgenommen und war nur noch ein Häufchen Elend... Die Ärztin stellte sofort die Diagnose "Hyperemesis gravidarum" und man peppelte mich mit Infusionen (Flüssigkeit, Vomex, Kohlenhydrate) wieder auf. Die Krankheit verschwand zwar nicht, doch ich tankte hier Kraft für die kommenden Monate und hatte nun immerhin eine Diagnose.
Mich begleitete die Krankheit noch bis in den achten Monat hinein. Da mit Schwangeren keine Experimente durchgeführt werden, weiß man wenig über die Ursache und hat leider auch kaum Möglichkeiten zur Heilung. Ein belgisches Medikament (Agyrax) milderte die Ausprägung der Krankheit in meiner zweiten Schwangerschaft und ich kann nur jeder Leidenden zu einer Infusion raten. Wenn der Körper wieder mit Flüssigkeit versorgt ist, fühlt man sich wie ein neuer Mensch. Kurzzeitig, aber immerhin.
Hallo Nadine, ich finde es wirklich beachtsam, was du alles leistet und auch in der ersten Schwangerschaft geleistet hast. Un ddass du dich getraut hast, "trotz allem" noch ein zweites Mal schwanger zu werden. Wie ergeht es dir denn diesmal? Liebe Grüße, Sabrina
AntwortenLöschenHallo Sabi, ich hatte natürlich schon die Hoffnung, dass meine zweite Schwangerschaft normal verläuft, aber ich fürchte: Einmal Hyperemesis, immer Hyperemesis... Nunja, momentan geht es mir besser, aber die Masterarbeit ist noch gar nicht begonnen, weil es mir zu schlecht ging. Dafür absolviere ich im Moment ein Verlags-Praktikum! <3 Liebste Grüße, Schokominza
LöschenOh nein das ist ja garnicht schön, dass es dir erneut schlecht ging. Ja Respekt, dass du dennoch ein Praktikum machst! Ich glaube das würden nicht Viele in so einer Lage durchstehen. Ich drücke die Daumen, dass du in diesem Verlag Fuß fassen kannst. Viele Grüße aus Düsseldorf, Sabrina
LöschenMittlerweile bin ich schon im 8ten Monat und die Übelkeit ist bei weitem nicht mehr so schlimm. Das Praktikum passt daher jetzt recht gut; danke für dein Daumendrücken!!
LöschenDanke. Genauso so ist es
AntwortenLöschenEs ist eine Krankheit auch wenn einen die wenigsten für voll nehmen.
ich kämpfe seit sieben wochen damit und habe mir auf eigene Faust und eigene Erkundigungen Agyrax bestellt. Von Ärzten bekam ich immer nur zu hören entweder leiden oder Infusionen.
Ich warte auf den Tag an dem endlich akzeptiert wird dass Übelkeit ab einem gewissen Grad krankhaft ist und man diese nicht hinnehmen kann.
Es tut mir Leid, dass du das auch durchmachen musst!
LöschenIch habe mir Agyrax ebenfalls auf eigene Faust geholt, weil ich eine zweite so krasse Schwangerschaft nicht durchstehen wollte/konnte. Die Hyperemesis ist nicht ganz verschwunden, aber es wurde besser: Ich wünsche dir gute Besserung.
Hach. Du weißt ja, wie sehr ich mich hier angesprochen fühle. Ob ich jetzt wirklich Hyperemesis hatte, weiß ich ja nicht, aber jetzt beim Lesen deines Artikels wurde mir plötzlich wieder klar, wie sehr ich gelitten habe UND dass ich bei der nächsten Schwangerschaft auch definitiv ins Krankenhaus gehöre. Ich habs ja immer irgendwie geschafft erst zu brechen und dann zu essen ;)
AntwortenLöschenIch hoffe so sehr, dass es bei dir jetzt nicht mehr so schlimm wieder kommt <3
Ich danke dir, ich hoffe du kannst deine Schwangerschaft mittlerweile genießen!
LöschenDanke für den Artikel, ich hab mich in so vielem wiedergefunden.
AntwortenLöschenIch hab mich mit der HE auch so hilflos gefühlt. "Übelkeit hat doch jede Schwangere mal" - wie oft ich mir das anhören musste. Und weder FA noch Hausarzt nahmen die Übelkeit ernst, bis ich dann völlig dehydriert im Krankenhaus wieder aufgepeppelt wurde.
Glücklicherweise hatte ich da (im Gegensatz zu dir) noch Semesterferien. Hut ab, dass du damit noch in die Uni gegangen bist! Ich lag irgendwann nur noch apathisch auf der Couch oder im Bett.
Als es bei mir ab der 16./17. Woche besser wurde, hab ich mich so erlöst gefühlt.
Grüße von glasgow.
Hallo, der Beitrag könnte von mir sein!! Inclusive der Erkenntnisse, die man (leider zu spät) gewinnt... Sollte ich in diesem Leben eine dritte Schwangerschaft erleben, würde ich jede Woche freiwillig in die Klinik gehen und mir eine Infusion abholen! Man muss da nicht durch! Das belgische Medikament war mir nicht bekannt, vielleicht doch noch ein Funken Hoffnung für eine weitere Schwangerschaft!
AntwortenLöschenSpielst du echt mit dem Gedanken, noch eine Schwangerschaft durchzustehen?... Nach der zweiten Schwangerschaft meine ich die Gewissheit zu haben, dass es immer die Hölle sein wird. Hach..
LöschenMein Kommentar verschwindet immer nach langem Schreiben, gibt's ne andere Kontaktmöglichkeit?
LöschenDu kannst uns auf Facebook finden und eine Nachricht schreiben: Mutterfreunde
Löschenhttps://www.facebook.com/mutterfreunde?fref=ts
Gestern wurde ich nach 4 Tagen KH Aufenthalt entlassen und heute geht es mir wieder schlechter---schlimm ist es wenn man selbst Ärztin ist, und man sich von Kollegen nicht wirklich ernstgenommen fühlt...
AntwortenLöschenIch wünsche dir, dass es dir schnell wieder besser geht. Deine Kollegen sind doof und unwissend, wenn sie dich nicht ernst nehmen :(
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